Brunn am Gebirge - Franz-Kaim-Gasse, Reihenhaussiedlung
(1902)


Das einheitlichste Ensemble secessionistischer Baugesinnung in Niederösterreich verkörpert das Ensemble Franz-Kaim-Gasse in Brunn am Gebirge. Architekt war der Schüler und Freund Otto Wagners Sepp Hubatsch, der ab 1902 das Ensemble von Reihenhäusern errichtete. Die auf gleich breiten Parzellen erbauten Häusern sind für zwei Familien konzipiert. In allen Bauten stehen zwei Wohnetagen zur Verfügung. Durch Souterraingeschosse wird der Niveauunterschied der leicht ansteigenden Gasse ausgeglichen; die Häuser wirken dadurch gleich hoch. An Stelle eines Daches tritt ein weit vorkragendes Abschlussgesims, hinter dem sich das Flachdach verbirgt. Geometrische Motive, vegetabile Ornamente, wie Ranken, Blätter oder Blüten, schmücken die Fassaden. Der Dekor ist zumeist in Putzschnitttechnik ausgeführt.
Hubatschs Schöpfungen sind eine künstlerisch hochrangige Absage an den kleinstädtischen und dörflichen Wohnbau des Historismus. Die Brunner Häuserzeile kokettiert im schroffen Gegensatz zu unzähligen zeitgenössischen Hausbauten nicht mit der historistischen Burg-, Schloß- und Villenarchitektur. Unter Anlehnung an die Struktur und das Erscheinungsbild der Hauszeilen in den alten Städten an Inn und Salzach entwarf Hubatsch kunstgewerblich bereicherte Wohnobjekte, deren hohe künstlerische Individualität der klaren, alle Einzelelemente zusammenschließenden Rasterstruktur der gesamten Anlage eingefügt ist.
(Quelle: W. Kitlitschka, Historismus & Jugendstil in Niederösterreich, 1984)