Herbstlicher Wald bei Purkersdorf
(~1900)


Marie Egner (*1850, †1940)

Landessammlungen Niederösterreich

Auch für Marie Egner war Emil Jakob Schindler das große Erlebnis - menschlich wie künstlerisch. 1882 wird sie seine Schülerin. Was sie insbesondere in diesen Jahren lernt und ihre Arbeiten in der Folge prägen wird, ist das persönliche Empfinden vor dem Motiv, vor der Natur in Malerei zu verwandeln. So sehr Schindler Vorbild war, gelang es der Künstlerin doch, sich von diesem zu lösen und einen durchaus eigenständigen Weg zu gehen. Sie verabschiedet sich von der Tonmalerei ihres Leh-rers und entscheidet sich für die Farbe. Während eines Aufenthalts in London perfektioniert bei Robert Allan sie die Aquarelltechnik und bringt - gleichsam im Gepäck - einen flotten, flüssigen Duktus mit nach Hause.
In dieser skizzenhaften Aufnahme eines herbstlichen Waldstücks kommen diese künstlerischen Errungenschaften auch überzeugend zum Ausdruck. Spontan, sicher, voll Temperament ist der malerische Vortrag. Phantasievoll variierend die Pinselschrift. Dicht gesetzt, kleinteilig, unterschiedlich in ihren Ausrichtungen und somit Bewegung suggerierend, sind die Pinselstriche im oberen Bildbereich, Blätter darstellend, während der untere Bildteil, der Waldboden, offener, großzügiger gestaltet ist. Für Ordnung und Gefüge sorgen die vertikalen Baumstämme. Das Waldstück ist in ein farbstarkes herbstliches Kleid gehüllt. Warme orangefarbene und dunkle Gelbtöne dominieren.
Bei allen formalen Qualitäten, die dieses Bild zu bieten hat, ist das eigentliche Thema die Vermittlung einer besonderen Stimmung; handelt es sich hier vor allem einmal um eine Lichtstudie, in der das Licht, die Luft - auch durch den substantiellen Farbauftrag von Weiß - nahezu greifbar wird. Es geht auch hier um die empfundene Umsetzung der Gestimmtheit eines warmen, sonnigen Herbsttags im Birkenhain.
(Quelle: E. Roth, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 92)