Ländliche Szene
(1830)


Johann Michael Neder (*1807, †1882)

Landessammlungen Niederösterreich

Eines der reizvollsten Frühwerke von Johann Michael Neder, dem "Schustermaler" aus Sievering, ist das hier vorgestellte Gemälde aus dem Jahr 1830. In der Literatur wird es meist nur als Ländliche Szene betitelt, es erzählt jedoch wie alle Genrebilder Neders ein Geschichtchen. Auf den ersten Blick liegt es nahe in dieser Szene, das in der Malerei des Wiener Biedermeier so beliebte Motiv des Viehhandels zu sehen. Es gibt jedoch Hinweise für eine zweite, wahr-scheinlichere Interpretation, die selbst für biedermeierlich-freizügige Geister vermutlich obszön und anstößig gewirkt haben muss. Der erwartungsvolle Blick auf den Stier, das vergnügte Lachen des Burschen, das errötete Mädchen, das Verbannen der Szene in einen Hinterhof, vor allem aber die Tatsache, dass der Bauer mit der Hand den Schwanz der Kuh zur Seite hält, deuten darauf hin, dass die Kuh von dem Stier besprungen werden soll.
Selbst aus einfachen Verhältnissen stammend, widmete sich Neder mit Vorliebe der Darstellung des ländlich-kleinbürgerlichen Milieus. Er malte Wirtshaus- und Heurigenszenen, Raufereien, Tanz usw., also Szenen und Beobachtungen aus seiner unmittelbaren Umgebung. Dabei scheute er sich auch nicht, wie auch hier auf dem Bild, "Anstößiges" oder "Gewagtes" festzuhalten. So zählte zu Neders Repertoire in den Wirtshausszenen auch der Griff auf das Hinterteil oder die Brust der Kellnerin. Die starke Beeinflussung durch die niederländische Malerei ist in den oft naiv anmutenden Gemälden Neders unübersehbar. Als einem der ersten Volksmaler war ihm jedoch zu Lebzeiten kein großer Erfolg beschieden. Er starb 1882 völlig verarmt.
(Quelle: W. Krug, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 54)