Weinlese
(1927)


Josef Dobrowsky (*1889, †1964)

Landessammlungen Niederösterreich

Die fruchtbare Auseinandersetzung Josef Dobrowskys mit den im Wiener Kunsthistorischen Museum befindlichen Meisterwerken Pieter Breughels des Älteren in den frühen zwanziger Jahren klingt in diesem 1927 entstandenen Bild einer Weinlese sichtlich nach. Die Verwendung der gedeckten, wenngleich reich nuancierten Palette von warmen, herbstlichen Tönen weist darauf hin. Dobrowsky beschränkt sich in der Landschaft, in den Rebstöcken, im Terrain, im Himmel und auch im prominent platzierten Korb im Vordergrund auf einen erdverbundenen Generalton, der durch eine intensive und kontrastierende Farbgestaltung der Figur - Grün und Weiß - Verlebendigung erfährt. Wie sehr sich Dobrowsky den Ausdrucksmöglichkeiten der Farbe verschrieben hat, wofür er besonders bekannt und geschätzt wurde, zeigt sich bereits in dieser relativ frühen Arbeit. Licht und Schatten, Körperlichkeit und Umriss - alles ist Farbe. 
Die Verbindung von Mensch und Natur, das Dienstbarmachen der Natur und die Einbindung des Menschen in die Natur in eine jahreszeitliche Gesetzmäßigkeit sind kompositorisch überzeugend gestaltet. Im Mittelpunkt steht der Mensch. In diesem Bild ist es eine junge Frau in etwas exaltierter, durchaus Pathos vermittelnder Körperhaltung - ihr linker Arm ist erhoben, die Hand nahe an den gereiften, am Stock hängenden Trauben, während der rechte Arm gesenkt ist und die Hand auf den bereits geernteten Trauben ruht. Die kunstvolle Pose lässt ahnen, dass es sich hier nicht um eine momenthafte Aufnahme einer bestimmten Situation handelt, sondern vielmehr um das gültige Festschreiben der elementaren Beziehung von Mensch und Natur. 
(Quelle: E. Roth, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 176)