Die Darstellung hat noch den für das 15. Jahrhundert charakteristischen hohen Horizont, obwohl die Komposition bereits eine in Serpentinen angelegte Überleitung in die in die Tiefe aufweist. Die Felsen sind noch kulissenartige Versatzstücke. Feine, nahezu aquarellartige Abschattierungen zeigen bereits eine freie malerische Gestaltung. Der Hügel, der Auwald im Hintergrund und der Wolkenhimmel weisen auf unmittelbares Naturstudium.
Unter den Realien ist die Mühle am Fluss, zu der Kornsäcke getragen werden, beachtenswert; am Weg ist ein Bauer mit Rechen zu sehen. Interessant ist auch das genau wiedergegebene Schwert des Hauptmanns und die Spitzhacke des Soldaten, ebenso der pelzverbrämte Mantel (Schaube) und die verschiedenen Kopfbedeckungen (Judenhüte). Vom Stil des Schottenmeisters lässt sich die feine Differenzierung der Gewandstoffe ableiten, vor allem das gelbgrün schillernde Gewand der Schergen rechts am Bildrand. Eine hohe malerische Kultur erkennt man bei der Überleitung der Blautöne im Gewand Mariens und im blau reflektierenden Umhang.
Vom selben Altar wie diese beiden Altarflügel stammen zwei Innenseiten mit den Darstellungen der Taufe Christi und der Enthauptung des Johannes (in Wiener Privatbesitz). Eine oben und unten beschnittene Tafel mit der Darstellung der Anbetung des Christuskindes (1966 im Münchner Kunsthandel) gehörte wohl nicht zum gleichen Altar, bildet jedoch das stilistische Bindeglied zwischen den beiden Tafeln und dem Epithaph des Florian Winkler in Wiener Neustadt.
(Quelle: Romanik, Gotik, Renaissance, NÖ Landesmuseum Kunstabteilung, Katalog I, 1970, S. 28f.)