Blick auf Stift Melk
(1841)


Thomas Ender (*1793, †1875)

Landessammlungen Niederösterreich

Der barocke Neubau des Stifts Melk zählt zu den am häufigsten dargestellten Bauwerken Österreichs. Der 1841 entstandene "Blick auf Stift Melk" Thomas Enders ist ein Hauptwerk der Ölmalerei des Wiener Landschaftsmalers und diente auch als Vorlage einer Lithografie.
Ender wählte einen Blickpunkt an der Melker Donaulände und schildert die Tätigkeiten bei der Schiffsanlegestelle, u.a. das Be- und Entladen von zwei Transportschiffen, sogenannten "Kelheimern". Aufgrund der zunehmenden Versandung des bei der Stadt gelegenen Donauarms konnten hier nur Schiffe mit geringem Tiefgang anlegen. Um zur Anlegestelle der größeren Schiffe und Eilschiffe zu gelangen, musste man den Donauarm übersetzen und eine langgestreckte Donauinsel queren. Von besonderem Interesse sind die von Ender dargestellten Bauten an der Donaulände. Im Vordergrund rechts ist der 1752 umgebaute Salzhof zu sehen, dahinter das aus dem späten 15. Jahrhundert stammende und lange Zeit als Gasthof dienende Gebäude an der Ecke zur heutigen Kremserstraße.
Ender schuf vor Ort vermutlich mehrere Detailskizzen; auch den Blick über die Donau gegen Emmersdorf wird er vielleicht als Aquarellstudie festgehalten haben. Im Atelier wurden diese Skizzen in die Gesamtkomposition miteinbezogen und durch Staffagefiguren ergänzt. Für die Darstellung des Stifts griff Ender möglicherweise aus Kompositionsgründen auf eine Skizze oder Vorlage zurück, die von einem weiter nördlichen Betrachtungspunkt entstanden war. Die dadurch zustande gekommene perspektivische Unrichtigkeit und die im Vergleich zum Vordergrund auch relativ geringen Ausmaße des Stifts lassen die wahren Dimensionen der Klosteranlage in Enders Gemälde nicht zur Geltung kommen. Auffällig ist insbesondere das Fehlen der alles überragenden Kuppel der Stiftskirche, auf deren Darstellung Ender vielleicht zugunsten einer größeren Wirkung des Turmpaares verzichtete. Diese kompositorischen Eigenheiten vermögen die Arbeitsweise Enders zu illustrieren, nicht jedoch die künstlerische Qualität der Ausführung zu schmälern.
Bereits seit den frühen 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Thomas Ender Sehenswürdigkeiten an der Donau in Skizzen und Studien festgehalten. 23 der auf diesen Reisen entstandenen Aquarelle erschienen 1838 als Ansichtenwerk unter dem Titel "Malerische Ansichten der Donau in ihrem Verlaufe von Engelhardszell bis Wien". 1841 erschien die dritte, bislang am reichsten ausgestattete Fassung der "Malerischen Ansichten der Donau", für die Ender noch im Jahr davor Skizzen angefertigt haben soll. Möglicherweise entstanden zu diesem Zeitpunkt auch die unmittelbaren Studien für den Blick auf Stift Melk.
(Quelle: W. Krug, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 27)