Als Schüler von Eduard Peithner von Lichtenfels in Wien und der Düsseldorfer Akademie hatte sich der Künstler in seinen frühen Arbeiten sehr intensiv mit der Landschaftsdarstellung beschäftigt. 1878 setzte er seine Studien als Schüler von Leon Bonnat in Paris fort, wo er auch seine Neigung für den Pleinairismus und den Symbolismus entdeckte, die sein künftiges Werk bestimmen sollten. Bernatzik wandte sich nun fast ausschließlich der Darstellung religiöser Bildthemen zu.
Das hier vorgestellte Gemälde eines Versehgangs zeigt einen Priester und einen Ministranten auf ihrem Weg durch eine winterlich kahle und kalte Landschart. Bernatzik schilderte die Szene im Licht eines zur Neige gehenden Wintertags. Die vereinzelten Schneeflecken und die vom Wind getriebenen Wolken wie auch die wehenden Gewänder der Dargestellten vermitteln Eiseskälte. Eine Schar Krähen im Hintergrund belebt die trostlos wirkende Szenerie. Bernatzik verstand es meisterlich, die at-mosphärische Stimmung festzuhalten.
In den 1890er Jahren schlug Wilhelm Bernatzik neue Wege ein. Er entdeckte seine Liebe für die Darstellung von Gewässern, von Wald- und Sumpflandschaften, die er nach in der Natur angefertigten Studien auch ins große Format übertrug. Seine künstlerische Entwicklung erreichte um die Jahrhundertwende in der Wiener Secession ihren letzten Höhepunkt. Als ältester Mitbegründer war Wilhelm Bernatzik mit symbolhaften, ruhigen Landschaftsbildern in zahlreichen Ausstellungen vertreten.
(zit. nach W. Krug, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 82)