Der Gauermannhof, auch Pichlhof genannt, lässt sich in seiner Besitzerfolge bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. 1796 erwarb ihn der Wiener Klavier- und Hoforgelbauer Anton Gabriel Walter aus Wien, der ihn 1803 an seine Ziehtochter Rosina und deren Ehemann Jakob Gauermann verpachtete und 1821 schließlich verkaufte. Der Hof, auf dem die Gauermanns alljährlich die warme Jahreszeit verbrachten und der während dieser Zeit voll bewirtschaftet wurde, bedeutete nicht nur Freuden des Landlebens, sondern auch große Verpflichtungen, die nicht zuletzt von Rosina Gauermann getragen werden mussten. Hier brachte sie ihre fünf Kinder zur Welt, hier dürfte sich auch ihr Lebensmittelpunkt befunden haben.
Als Hintergrund für das Porträt wählte Friedrich Gauermann das schöne, biedermeierlich schlicht ausgestattete Zimmer im Gauermannhof. Rosina Gauermann sitzt im Festgewand, mit dunklem Taftkleid, Spitzenkragen und Häubchen angetan, die Hände verschränkt, bei einem kleinen Tischchen, auf dem das Nähkörbchen und ein Kaffeehäferl stehen. Ihr Gesicht ist weich modelliert. Besonders auffällig und charakteristisch erscheinen die tiefliegenden, dunkel umrandeten Augen, möglicherweise Vorboten einer Krankheit. Durch das Fenster sind die Kirche und der Pfarrhof von Scheuchenstein zu erkennen und am Himmel zwei Schwalben als erste Frühlingsboten.
Die bislang vermutete Datierung um 1827 ist aus mehreren Gründen zu bewzeifeln. Einerseits ist erst in den Jahren 1829/30 eine intensive Auseinandersetzung Gauermanns mit dem Malen von Interieurs festzustellen, andererseits ist bei den nachweislich früher entstandenen Porträts durchwegs das Fehlen des Hintergrundes auffallend. Eine Datierung in das Jahr 1830 erscheint auch deshalb sinnvoll, da Rosina Gauermann am 20. April dieses Jahres ihren 60. Geburtstag feierte.
(Quelle: W. Krug, Friedrich Gauermann 1807-1862, 2001, S. 132)