Die Windmühlen bei Retz
(1895)


Robert Russ (*1847, †1922)

Landessammlungen Niederösterreich

Auf Anregung Kaiser Josefs II. kam es im Weinviertel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt zur Errichtung von Windmühlen, da aufgrund der wenigen ausreichend Wasser führenden Bäche die Versorgung durch Wasser betriebene Mühlen nicht gewährleistet werden konnte. Noch zu Beginn des Industriezeitalters waren im Weinviertel mehr als vierzig Windmühlen in Betrieb. In Retz wurden auf dem Gollitschberg nordwestlich der Altstadt ebenfalls zwei Windmühlen errichtet. Als der Wiener Maler Robert Russ die Windmühlen bei Retz im Jahr 1895 malte, war die erste steinerne Mühle von 1773 bereits seit fünf Jahren nur mehr als Wohnhaus in Funktion.
Wie seine Studienfreunde Emil Jakob Schindler, Eugen Jettel und Rudolf Ribarz, hatte Russ schon in jungen Jahren auf einer Studienreise die Landschaft Hollands 1872 kennen gelernt. Hier im Weinviertel bei den Retzer Windmühlen fühlte sich der Künstler wohl an diese Zeit erinnert. Viel wichtiger als das Motiv war ihm jedoch die Wiedergabe der vorgefundenen Lichtstimmung. Russ stellte die Gegend bei Sonnenaufgang dar. Im Bildmittelgrund sieht man eine Gruppe von Frauen, die sich vermutlich auf dem Weg zum Markt befinden, gleich dahinter den noch heute existierenden, kleinen Steinbruch und als Hauptmotiv die beiden Windmühlen. Die Stadt selbst erstreckt sich in der in diffusem Morgenlicht dargestellten Ebene im Bildhintergrund. Der hoch aufragende Rathausturm ist deutlich erkennbar. Auf dem Hügel im Hintergrund links sieht man auch den barocken Kalvarienberg aus dem Jahr 1726. Das großformatige Ölgemälde zählt zu den Hauptwerken der reifen Schaffensperiode des Künstlers. 
 
(Quelle: W. Krug, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S.120)