Der "Meditationsweg" geht vom Format des Bildgedichts aus, mit dem Cibulka Fotogeschichte geschrieben hat. Vier Farbfotos in industrieller Standardausarbeitung werden auf einem Karton so angeordnet, dass sich zwischen ihnen ein schmales Kreuz ergibt. Auf Basis dieses Prinzips sind zahlreiche Fotozyklen entstanden, wobei es um persönliche Spurensicherungen, um das Leben in verschiedenen Kulturkreisen, um die Landschaft, um alltägliche oder religiöse Rituale und volkskundliche Phänomene geht. Der Pfad beginnt bei der Ortskirche und führt durch einen Hohlweg an Wein- und Obstgärten vorbei auf einen Hügel, von dem aus man eine gute Aussicht auf Dorf und Umgebung bekommt. An acht Punkten wurden Schautafeln errichtet, die mit ihrer architektonischen Ausstattung an die Tradition der Bildstöcke der Umgebung erinnern. Cibulkas Sympathie für den ländlichen Raum erschließt sich in der Gegenüberstellung seiner berühmten und berührenden Hommage an das Weinviertel aus dem Jahr 1977 mit aktuellen Fotografien und Textmontagen aus einer unkonventionellen Schreibpraxis, die eine assoziative und pointenreiche Erschließung des Lebens auf dem Land ermöglichen. Prozessualität und Partizipation haben in der Arbeit Cibulkas stets eine wichtige Rolle gespielt. Hier schlägt er nun Handlungen wie Gehen und Abschreiten, Vergleichen und intensives Beobachten vor: Er hat Blumen und Kräuter anpflanzen lassen, die das sinnliche Erlebnis verstärken. Seine Aufmerksamkeit für das scheinbar Unbedeutende hält Menschen, Gegenstände und Situationen innerhalb ihres lokalen Umfeldes auf eine Weise fest, die sichtbar macht, was beim Blick auf das Alltägliche sonst verschlossen bleibt.
(Brigitte Huck)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 10 (2011)