Man kann das Bild Wisinger-Florians als die Darstellung einer ländlichen Prozession sehen, eines ganz bestimmten - frühsommerlichen - Ereignisses im Kirchenjahr, als Landschaft im Licht, rhythmisiert durch Schatten und Sonnenflecken, durch Hell und Dunkel, als ein dekoratives Stück vom Menschen bevölkerter und gestalteter Natur.
Man kann aber auch die mühsam den steilen Weg erklimmende Prozession als Sinnbild sehen für den schwierigen Lebensweg des Menschen, der die meiste Zeit im Schatten sich vollzieht und anstrengend ist. Genauso wie man die alten Steintreppen, die geöffneten, schmiedeeisernen Torflügel und die flankierenden Sockel mit Kugeln als romantischen, aber doch gewöhnlichen Friedhofseingang sehen kann, er gleichzeitig aber auch als sonnendurchfluteter Eingang ins Reich des endgültigen Friedens interpretierbar ist, als ein Zugang, der behütet ist durch die steinernen Wächter (einer alten Ölbergdarstellung), aber auch durch die schützende Hand Gottes. Denn auch die beiden großen, weit ausladenden Bäume sind mehr als zwei Bäume, sind sie doch auch majestätisches Symbol für die allumfassende Schöpfung und damit letztlich für Gott, der unseren Weg, mag er auch noch so mühsam und beschwerlich sein, behütet und beschützt.
(Quelle: H. Giese, in: Waldmüller bis Schiele, Meisterwerke aus dem NÖ Landesmuseum, 2002, S. 134)