An der südwestlichen Peripherie der römischen Zivilstadt Carnuntum befindet sich das wohl bekannteste römische Bauwerk Österreichs, das so genannte Heidentor. Hinter dieser Ruine verbirgt sich ein gewaltiges römisches Bogenmonument mit vier Durchgängen (Quadrifron) und einer Gesamthöhe von 15 Meter. Sein Standort lag ursprünglich an einer Straßenkreuzung, die die römische Limesstraße entlang der Donau mit der nordsüdlichen Bernsteinstraße verband.
Seit Jahrhunderten wurde die imposante Ruine in Skizzen, Aquarellen, später in Fotografien festgehalten. Ende des 19. Jahrhunderts führte der Architekt und Grabungsleiter Josef Dell baugeschichtliche Untersuchungen durch und kam zu dem Schluss, dass das Heidentor ursprünglich ein monumentaler Grabbau gewesen sein müsse. Obwohl es keine Hinweise auf Bestattungen oder einen Friedhof gab, schlossen sich bis in die jüngste Zeit die meisten Forscher dieser Deutung an.
Anlässlich von Sanierungsmaßnahmen des Gebäudes im Jahr 1998 wurden umfassende bautechnische Untersuchungen sowie systematische Ausgrabungen vorgenommen. Mit diesem Projekt (1998-2001) konnten folgende neue Erkenntnisse gewonnen werden:
Die vier Pfeiler des Monuments bestanden aus einem Kern von festem Gussbeton und waren bis zur Höhe des Gewölbescheitels mit Quadern ummantelt, die als Spolien von älteren, demolierten Gebäuden Carnuntums stammten. Darüber waren die Pfeiler mit Ziegeln verkleidet. Die Verbindung der vier Pfeiler bestand aus einem in Ziegeltechnik konstruierten Kreuzgratgewölbe, das den zentralen Mittelraum überspannte. Von diesem Gewölbe sind der westliche Ziegelbogen vollständig sowie die Ansätze des südlichen und nördlichen Bogens erhalten geblieben. Die ganze östliche Hälfte des Monuments dürfte durch Sprengung bereits im 15. Jahrhundert zerstört worden sein.
In der Mitte des Bogenmonuments stand ein Statuensockel von ca. 4,3 Meter Höhe. Demnach konnte der Bogen nicht durchfahren werden.
Fragmente von Hochrelieffiguren lassen erkennen, dass das Obergeschoß des Gebäudes dekoriert war. Es hatte die Form einer Attika, wie sie bei Triumphbögen geläufig ist, und trug Inschrifttafeln aus Marmor.
Für die Datierung des Gebäudes sind die bei den jüngsten Grabungen geborgenen Fundgegenstände von größter Bedeutung, darunter neben Bauteilen des Gebäudes Ziegelstempel, Gefäßkeramik, Glas, Fibeln, Waffenbestandteile und über 300 Münzen. Diese Funde verweisen auf eine Errichtung in den Jahren zwischen 354 und 361 unter der Alleinregierung des Kaisers Constius II. (351-361). Der Monumentalbau sollte als Triumphbogen von den Taten des Kaisers zeugen, wie ein Zeitgenosse des Kaisers, der Offizier und Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus, in seiner Römischen Geschichte berichtet: Kaiser Constantius ließ "unter großen Kosten Triumphbögen ... in Gallien und Pannonien errichten und auf ihnen Inschriften über seine Taten anbringen ..., damit die Menschen von ihm lesen sollten, solange die Denkmäler stünden".
(Quelle: Die Siedler von Carnuntum - Bernsteinhändler, Kaiserpriester und Legionäre am Donaulimes. Katalog der Sonderausstellung im Diözesanmuseum Hofburg Brixen, 2002, S. 18-21)