Eines der bekanntesten Gemälde Friedrich Gauermanns ist die "Hirtenszene" von 1826. Der eine Ziege fütternde Hirtenknabe wurde in den letzten 40 Jahren fast ein Markenzeichen des Künstlers. Das Spiel von Licht und Schatten war dem jungen Künstler offenbar ein besonderes Anliegen. Seine frühen Hauptwerke zeigen durchwegs eine Vorliebe für harte Kontraste, Schlagschatten und helle Glanzlichter. Damit geht eine intensive Farbigkeit einher. Noch sind die Farben jedoch aufgesetzt, mit Ausnahme des glatt und lasierend gemalten Himmels. Gerade an den Wolken ist der pastose Farbauftrag deutlich zu erkennen. Gauermann überließ nichts der Phantasie, sondern machte zu allem Detailstudien und Skizzen. In diesem Werk schenkte er der Gestaltung des Vordergrundes große Aufmerksamkeit. Wie akribisch genau er versuchte, die Natur wiederzugeben, beweist unter anderem die Baumpartie im Vordergrund rechts, zu der es in seinem Skizzenbuch des Jahres 1825 eine Naturstudie gibt.
Gauermann verkaufte das Gemälde im Mai 1826 an Herrn Laurent, der schon 1825 ein Gemälde des jungen Künstlers erworben hatte. Der in seinem "Einnahmebuch" angeführte Betrag von 187 Gulden und 30 Kreuzer mutet ungewöhnlich an, da Gauermann üblicherweise nur runde Summen verlangte - ein Bild gleicher Größe brachte zur selben Zeit 200 Gulden. Vielleicht war Herr Laurent ein Kunsthändler, in dessen Geschäft Gauermann für seine eigene Sammlung ein Objekt erworben hatte, das bei der Zahlung in Abzug gebracht worden war. Ab und zu erwarb Gauermann Druckgrafiken alter Meister als Anschauungs- und Studienobjekte.
(Quelle: W. Krug, Friedrich Gauermann 1807-1862, 2001, S. 86)