Unter Abt Melchior Zaunagg (1706-1747) wurde die Stiftskirche Zwettl entsprechend den Ansprüchen barocker Repräsentation umgestaltet, wobei man das Langhaus bewussst in gotischem Stil nach Westen fortsetzte und den gotischen Umgangschor für eine szenisch angeordnete Abfolge von Altären nützte. Die lange Entstehungsgeschichte des Hochaltares ist gut dokumentiert. 1722 lieferte Matthias Steinl nicht nur den grundlegenden Entwurf für die Einturmfassade, sondern auch die erste Idee für den Hochaltar, die sich in einer Federzeichnung erhalten hat.
Nach dem Tod Steinls zeigt eine Bleistiftzeichnung des Goldschmiedes Johann Känischbauer von 1729 die Weiterentwicklung des Konzepts. Anstelle des Altarbilds ist ein plastisches Szenarium getreten, das sich nun in einer apsidial gerundeten Viersäulenarchitektur mit Pfeilerrücklagen, vergitterten Interkolumnien und zeitgemäßer Wiener Bandlwerkornamentik abspielt. Die gestikulierenden Apostelgruppen beziehen sich nicht nur auf die im Altarauszug erscheinende plastische Gruppe der Himmelfahrt und Krönung Mariens, sondern auch auf das mystische Geschehen rund um den Tabernakel, der als Rauchopferaltar gestaltet ist und auf dem sich die Epiphanie des Göttlichen vollzieht: "sub lege" als Auge Gottes, darüber "sub gratia" im Kruzifix des grünenden Eichenbaumes der Gründungslegende.
Mit der Ausführung wurde 1731 Josef Matthias Götz aus Passau beauftragt.
Götz führte noch zwei Prophetenfiguren ein. Am ausgeführten Altar lösen sich Moses und Johannes der Täufer von der Tabernakelgruppe. Auf eigenen Konsolen an den gotischen Presbyteriumspfeilern angebracht, vermitteln sie durch ihre verehrende und hinweisende Gestik zum Mysterium des "Theatrum sacrum".
(Quelle: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich IV: Barock, hg. v. H. Lorenz, 1999, S. 540)