Emese Benczúr hat in Budapest Malerei studiert, ihr Werkzeug aber ist die Nadel, nicht der Pinsel. Sie näht und stickt Texte auf Leinwände, Geschirrtücher oder Kleideretiketten. Die Zeit ist ein ebenso wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit wie die Sprache. In wochenlangen Stickaktionen etwa sind Hunderte Meter Textilband mit dem Schriftzug "DAY BY DAY" entstanden, die auf Rollen zu Dokumenten einer prozessualen und konzeptuellen Methode werden.
Für die Gartenschau in Tulln hat sich Emese Benczúr in den Raum begeben: Über ein Gerüst, das 10 x 7 x 2 Meter misst, ist ein Moskitonetz gespannt. Durch einen schmalen Eingang gelangt man ins Innere einer luftigen Skulptur und durch ein Labyrinth parallel aufgespannter Netze in ein Gartenzimmer, das offen und geschlossen zugleich ist. Hier wird der Satz "DEEP IN THINGS" lesbar, der durch die Überlagerungen der Netze gebildet wird. Eine spielerische Tautologie, die auf verschiedenen Ebenen begriffen werden kann. Benczúr spielt die sinnlichen Aspekte der Sprache auf der Lichtungsachse der Auwaldinsel aus, verbirgt sie und macht sie sichtbar an einem metaphorisch aufgeladenen Ort, der in der nüchternen Gartenschau der "Locus amoenus" sein könnte. Beczúrs Gartenhaus funktioniert als Bindeglied zwischen einer Poesie des Raums und dem lesbaren Bild. Die Betrachter sind eingeladen, den Ort physisch zu betreten, aber auch am Denkprozess über Kunst und an ihrem Entstehen teilzunehmen. Denn bei aller meditativen Aura, die der Pavillon verbreitet, bleibt das kritische Statement einer Künstlerin unübersehbar, die klassische Frauenarbeit verrichtet, um die Gender-Debatten am Laufen zu halten.
(Brigitte Huck)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 9 (2009)