Parallelwelten und Rituale spielen in der Kunst Martin Waldes eine wichtige Rolle, der Austausch von Energien ebenso. Wenn er sich daranmacht, eine Arbeit für ein Landespflegeheim zu entwickeln, dessen BewohnerInnen sich zu einem großen Teil nicht mehr selbst bewegen können, kann man getrost von einer (ästhetischen) Infusion sprechen. Schnell hat der Teilnehmer der documenta X seine Konzeption für das Barbaraheim gefunden: Der künstlerische Eingriff sollte den Atriumraum, das kommunikative Zentrum der Anlage durch einen visuellen Kick in positive Schwingungen versetzen, ihn interessanter, reizvoller und einnehmender machen.
Gerade für Menschen, deren Wahrnehmungsmöglichkeiten beschränkt sind, ist Waldes schwebendes Objekt aus Nylongewebe ein expandierendes Element von hoher poetischer Suggestionskraft. Das Nylongewebe wird nach einem bestimmten System eingeschnitten. Zieht man an den Seiten, entsteht eine dreidimensionale Wellenform, die durch den kleinsten Luftzug in Bewegung kommt und ein Licht-und-Schatten-Ballett auf Boden und Wände zaubert. Waldes Möwenschwarm hat mit Projektion zu tun - und mit Projektionen, mit romantischer Naturphilosophie und dem Feedbacksound einer sich unablässig verändernden Wirklichkeit.
In einem 150 Minuten langen Video verknüpft Martin Walde die funktionale Recherche des Künstlers mit der Erinnerung und dem kollektiven Gedächtnis der HeimbewohnerInnen: In eindringlichen Großaufnahmen zeigt er Früchte, Blüten und die alltäglichen Handgriffe und Gesten, die so selbstverständlich waren und es oft nicht mehr sind.
(Brigitte Huck)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 9 (2009)