Südöstlich neben der Pfarrkirche St. Stephan in Tulln befindet sich der im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts errichtete Karner. Neben dem Karner in Hartberg/Steiermark ist er zweifellos der schönste seiner Art in Österreich. Es handelt sich um einen zweigeschoßigen, hochaufstrebenden spätromanischen Bau mit einem Pyramidendach.
Der Karner präsentiert sich außen elfseitig, innen jedoch rund. Besonders bemerkenswert ist das prächtige Portal im Nordwesten mit reichem plastischem Dekor, figürlichen sowie Knospenkapitellen, einem Rundbogenfries mit Zahnschnitt sowie einer reizvollen Blendarkatur mit kleinen Säulchen. Die Pfosten sind in normannischer Art in verschiedenartigen Rhomben geformt, ähnlich wie z.B. im Riesentor in St. Stephan in Wien, aber auch am Mödlinger Karner. Das gesamte Portal zeigt deutlich die Auseinandersetzung mit der von Kaiser Friedrich II. besonders geschätzten normannischen Kirchenbaukunst. Die romanische Holztüre samt ursprünglichen Eisenbeschlägen hat sich erhalten. Zum Portal hinauf führt eine hohe Treppenanlage, in die ein Römerstein eingemauert war, der sich heute im Museum befindet.
Das Untergeschoß des Karners diente als Gruftraum. Im Obergeschoß befindet sich eine Kapelle an deren Wänden sich teilweise Fresken erhalten haben. Dargestellt ist das Jüngste Gericht, die Anbetung Christi durch die Drei Heiligen Könige, fünf kluge und fünf törichte Jungfrauen und weitere Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie Allegorien. Zusammen mit den Bauten St. Stephan in Wien, Kleinmariazell, dem Karner in Mödling und Pulkau sowie anderen böhmischen und ungarischen Bauten ist der Karner von Tulln der Wiener Bauhütte zuzuordnen.