Es ist nicht allzu bekannt, dass in Viehhofen bei St. Pölten von 1944 bis 1945 zwei Zwangsarbeitslager existierten. Ab 1967 wurde auf dem Areal eine Schotteraufbereitungsanlage betrieben, und es entstanden zwei Seen. Im Jahr 2003 legte die Stadt St. Pölten dort ein Erholungsgebiet an. Das jüdische Lager befand sich in der Mitte des jetzigen Badesees, das Lager für "Auswärtige" in direkter Nähe. Catrin Bolt hat an fünf verschiedenen Stellen im Erholungsgebiet Viehofen Tafeln aufgestellt, auf denen eine Luftaufnahme des Areals zu sehen ist. Ein roter Punkt lässt die Besucher jeweils wissen, wo sie sich befinden. Alles scheint von Weitem der Norm einer Orientierungshilfe zu entsprechen. Wer jedoch mit dem Befürnis nach einer Standortbestimmung an die Tafeln herantritt, dem wird die gewünschte Information nicht geliefert, da die abgebildete Luftaufnahme von April 1945, aufgenommen von der US Air Force, stammt. Man sieht die originale Situation vom Ende des Zweiten Weltkrieges mit den Lagern, als es die Seen noch nicht gab.
Durch die Betrachtung vor Ort werden die alte Ansicht von 1945 und die heutige überlagert, Vergangenheit und Gegenwart werden für einen Moment zusammengeführt. Geografische Orientierung wird auf die Ebene einer geschichtlichen überführt. Es ist eine Praxis der Infragestellung des Alltagsblicks und der Alltagshandlung, die Catrin Bolts Kunstschaffen überhaupt auszeichnet. Ihr Mahnmal für die ZwangsarbeiterInnen von Viehofen tröstet nicht, weil man hier nichts vergessen kann, sondern es wirft den Betrachter auf sich selber zurück und leitet zur bewussten Auseinandersetzung an.
(Cornelia Offergeld)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 10 (2011)