Wilhelmsburg - Marienkapelle des Lilienfelder Stiftshofs
(1320)


Während im letzten Drittels des 13. Jahrhunderts die österreichweit bedeutendsten Kapellen in der Steiermark errichtet wurden, übernahm im 14. Jahrhundert Niederösterreich auf diesem Bausektor den Führungsanspruch. Basierend auf einer bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Tradition zweigeschoßiger Burgkapellen, brachten vor allem die Klöster - im Verband mit ihren administrativen und ökonomischen Zwecken dienenden Stiftshöfen - dem Typus der Doppelkapelle des Zwettler Stiftshofs bei Kammern ist vor allem die ursprünglich dem Lilienfelder Stiftshof zugehörige Marienkapelle ins Wilhelmsburg zu nennen.
Die Geschichte des Lilienfelder Stiftshofs reicht in das Jahr 1209 zurück, als der Babenberger Leopold IV. seinen Wilhelmsburger Hof dem von ihm gegeründeten Zisterzienserkloster übertrug. So gesehen ist zu vermuten, dass die bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bestehende Anlage mit der darüber errichteten, 1320 geweihten Marienkapelle die Gestalt einer Doppelkapelle angenommen hat, wobei das ältere Untergeschoß fortan wahrscheinlich als Begräbnistätte diente. Wie aus der Weihededikation zu erfahren ist, waren der Marienkapelle zahlreiche Heilig-Land-Reliquien zugedacht. Man könnte sie folglich als monumentalen Reliquienschrein bezeichnen und damit ihre ideelle Affinität mit den französischen "Saintes-Chapelles" zusätzlich begründen. Im Westen führt eine spätgotische Treppe zum Obergeschoß und zu anschließenden gewölbten Räumen des Mittelalters, welche die Kapelle mit dem Pfarrhof verbinden. Heute wird der Sakralraum als Gebetsstätte der Evangelischen Glaubensgemeinschaft genutzt.
(Quelle: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich II: Gotik, hg. v. G. Brucher, 2000, S. 257f.)