Ein von vier Fenstern westseitig belichteter schmaler Stichgang im Barockstift Herzogenburg hat sich durch wenige einfühlsam-distanzierte Eingriffe in ein spirituelles Raumjuwel verwandelt. Das barocke Gewölbe und die Fenster Jakob Prandtauers blieben dabei unangetastet, aber allein die Ausrichtung der Kapelle quer zur Gangachse und die über den Bestand gelegte subtile neue Raumschicht verleihen dem einstigen Durchgang polyvalente Qualitäten des Innehaltens und Verweilens. Vor der mittig in die Längswand des Bestands geschnittenen Steinnische steht der Altar, ein schlichter Steinwürfel aus grobkörnigen Konglomeraten, daneben das prismatische Ambo aus tiefrotem Glas sowie ein schlichtes Kreuz aus Nussholzfurnier. Gegenüber, entlang der verschatteten Fensterfront, die formal reduzierte Möblierung aus dem gleichen Material: präzise gefertigte Schmuckstücke, deren Kostbarkeit in der feinen Durcharbeitung der Details zum Vorschein kommt. Ein Glasfries von Wolfgang Stifter betont die Längsrichtung und fängt sie zugleich mit einem Winkel am Raumende ab. All diese klaren und reflektierten Maßnahmen bezeugen eine Haltung, die die barocke Substanz weder als Traditionslast noch als Dogma zur stummen Unterordnung empfiehlt und empfindet.
(Gabriele Kaiser)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 6 (2002)