Litschau - Pfarrkirche St. Michael
(14. Jhd. bis 15. Jhd.)


Die monumentale, den Stadtplatz dominierende Pfarrkirche war ursprünglich ein romanischer Bau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und wurde im 14. und 15. Jahrhundert zu einer großen gotischen Hallenkirche mit vorgestelltem Westturm umgebaut wurde. Mit dem Neubau des Chors und der Errichtung des quadratischen Turms wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen. Der zweijochige, kreuzrippengewölbte Chor mündet in einen Fünfachtel-Schluss. Drei zweibahnige, mit Drei- und Vierpassmaßwerk versehene Fenster sorgen für eine markante Belichtung des Chorhaupts.
Mit dem Bau des dreischiffigen, fünfjochigen Langhauses, in dessen Westjoch eine durchlaufende Empore interpoliert ist, durfte um 1400 begonnen worden sein. Dafür sprechen die am Sockel des zweiten südlichen Pfeilers eingemeißelte Jahreszahlen "MCCCC" sowie die 1403 erfolgte Stiftung einer "ewigen Messe". Die Vollendung des Langhauses erfolgte im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts.
Das durch einen spitzbogigen, stark eingezogenen Triumphbogen mit dem Chor verbundene Mittelschiff ist geringfügig höher als die Seitenschiffe, woraus der Typus einer Staffelhalle resultiert, wie er bereits an der frühgotischen Dominikanerkirche in Retz konzipert worden war. Analog zu St. Wolfgang münden die Seitenschiffe - an Nebenchöre erinnernd - in geknickte Ostwände. Dieses Phänomen von Apsiden an Seitenschiffenden zeigt nicht nur eine Affinität zu Wiener Baugepflogenheiten des 14. Jahrhunderts, vielmehr dokumentiert sich darin ein "historisierendes Verhalten ..., das die in romanischer Zeit üblichen Seitenschiffapsiden ... ins Gotische übersetzt".
Die in den Kirchen von Litschau und St. Wolfgang verspätet auftretenden und von Archaismen durchsetzten Inkunabeln spätgotischer Baukunst zeigen den Stellenwert des Waldviertels als selbstständige Kunstlandschaft.
(Quelle: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich II: Gotik, hg. v. G. Brucher, 2000, S. 294-295)