Friedrich Gauermanns Geschick, den Charakter einer Person zu erfassen, brachte ihm zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit immer wieder kleinere Porträtaufträge. Um sich ein paar Gulden zu verdienen, malte er 1824 ein "Porträt des Herrn Rieder", eines k. k. Beamten und besonderen Freundes seines Großvaters, sowie das "Porträt seines Großvaters Anton Walter" und 1825 schließlich ein "Porträt des Herrn von Freytag". Später entstanden Porträts fast nur mehr zur Übung und aus Lust und Laune.
Besonderes Interesse hegte er für die Bauerntypen seiner Heimat. Joseph August Schultes (1773-1831) hielt in dem 1802 erschienenen Buch "Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich" seinen Eindruck vom Wesen der Miesenbacher Landbevölkerung fest: "Unter allen Tälern in der Nachbarschaft des Schneeberges scheint mir dieses Tal am wenigsten von Fremden besucht zu werden. Nirgendwo fand ich soviele Neugierige unter den Bauern, um den Fremden anzustaunen, der sich zu ihnen verirrte, und nirgends soviel Schüchternheit. Sie flohen wie die 'Wilden’, sobald man sie bemerkte. Könnt’ ich Finalursachen verteidigen, so würde ich sagen, die Natur habe dem Menschen Schüchternheit als Wächter über seine Neugierde gegeben."
Schenkt man dieser Beschreibung Glauben, so kann man sich ausmalen, wie schwer es für die zugezogene Familie Gauermann gewesen sein musste, hier Fuß zu fassen. Keinerlei Berührungsängste dürfte es aber mit dem jungen Gauermann gegeben haben, den man schon von klein auf kannte und der es verstand, ihre Sprache zu sprechen. Vielleicht besitzen die Ölskizzen, Zeichnungen und Karikaturen, in denen er sich der Darstellung seiner Nachbarn widmete, auch daher ihren besonderen Reiz - ein Reiz, der auf künstlerische Qualitätsmerkmale allein wohl nicht zurückzuführen ist. Sie zeugen von seiner unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, von seinem Versuch, in das Wesen des Dargestellten einzudringen und seine Persönlichkeit zu erfassen. Auch wenn viele seiner Bauerntypen auf den ersten Blick derb und überzeichnet wirken, ist auf den zweiten Blick doch eine feine Charakterisierung zu bemerken.
(Quelle: W. Krug, Friedrich Gauermann 1807-1862, 2001, S. 74)