Krems-Stein - Projekt bei der Minoritenkirche
(1993 bis 1995)


Per Kirkeby (*1938)

Per Kirkeby:
"Ich ging um die Kirche herum, um auf einen möglichen Platz für die Backsteine zu kommen. Eng und zugewachsen war's und ungepflegt. Kloster- und Stadtkirche, und man konnte sich gerade an der einen Längsseite entlangzwängen, die andere war mit anderen Gebäuden zusammengewachsen. Aber ganz hinten, an den langen Strebepfeilern des Chorabschlusses, dort gab's sowohl Stadt als auch Land. Land, weil die Weinberge sich in greifbaren Abständen auftürmten. Stadt, weil es zur anderen Aussicht Dächer und Kirchtürme gab; es war eine Stadt wie auf einem Stich von Dürer. Oder ein Hintergarten in heimlicher Ausgelassenheit. Es zwitscherte und summte.
Hier stand ich also, in Krems, im Verborgenen hinter einer mittelalterlichen Kirche, sozusagen ganz zufällig stand ich hier wie in einem kurzen Zögern in ewiger Rastlosigkeit und war der erste Paragraph bei Wittgenstein: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Und während ich in dem chinesischen Notizbuch Anmerkungen machte und im Unkraut Maße abschritt, war ich beim zweiten: Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten. Und während ich beschwörend im Unkraut umherschritt, begannen die Grabsteine emporzuwachsen. Wie Pilze an der Wurzel des hochstämmigen Chores. Das Licht wedelte im Laub, die Weinberge summten vor lauter Stille, die Stadt zerfiel. Und, begleitet von meinem Lieblingsparagrafen Wittgensteins, in der logischen Bewertung etwas weiter unten, nämlich 2.15, fingen die Elemente an, sich unter dem Einfluß unbekannter Schwingungen zu arrangieren: Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Weise zueinander verhalten, stellt vor, dass sich die Sachen so zueinander verhalten." 
(Quelle: Veröffentlichte Kunst - Kunst im öffentlichen Raum 3, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 381, 1995)