Die Pfarre Zwettl geht als Kuenringergründung auf das Ende des 11. oder frühen 12. Jahrhunderts zurück, die erste urkundliche Nennung erfolgte 1138. Die Kirche selbst erhielt um 1300 einen Kapellenanbau und im 15. Jahrhundert einen Ostturm über dem Chorquadrat. Vom romanischen Kirchenbau haben sich das Langhaus, das Chorquadtrat und die Apsis erhalten. Der Bau war flach gedeckt und besaß im Westen eine zweigeschoßige Emporenanlage, die sich in drei Arkaden gegen das Langhaus öffnete. Die Reste dieser aufwendigen Herrschaftsempore haben sich im Kern unter der barocken Orgelempore erhalten. Das später aufgestockte Obergeschoß und der Dachreiter ruhen einerseits auf der Westwand, andererseits auf den Arkadenpfeilern der Empore auf. Zur nahegelegenen - 1231 zerstörten - Burg, deren romanische Ostfassade zum Teil noch im Mauerwerk der jüngeren Propstei nachzuweisen ist, bestand ein gemauerter, mehrgeschoßiger Übergang. Von diesem sind Abrißspuren und die Hocheinstiege in der Kirchenwestwand zu erkennen.
Baugeschichtliche Untersuchungen ergaben, dass die Kirche gleichzeitig mit den Ostteilen der Burganlage um 1120 entstanden ist. Kirche und Burg bildeten daher bereits im frühen 12. Jahrhundert eine bauliche Einheit, die von einem Wall-Grabensystem, das heute noch den Friedhof an drei Seiten begrenzt, umgeben war. Die ehemalige Pfarr- und Propsteikirche von Zwettl belegt einerseits das frühe Auftreten der sogenannten vollständigen oder erweiterten Anlage mit Langhaus, Chorquadrat und Apsis im Bereich der babenbergischen Ministerialenbaukunst, andererseits die Synthese dieses Typus mit dem integrierten Einzel-Westturm. Westanlagen ähnlicher Prägung fanden vor allem im böhmischen und westungarischen Bereich bis ins frühe 13. Jahrhundert bei Herrschafts- und Burgkirchen häufige Anwendung. Im babenbergischen Herrschaftsgebiet bilden die Probsteikirche von Zwettl und die erst um 1200 entstandene Filialkirche von Wildungsmauer die einzigen nachweisbaren Vertreter dieses Typus.
(Quelle: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich I: Früh- und Hochmittelalter, hg. v. H. Fillitz, 1998, S. 269)