Die erste bekannte Ansicht der Postlmühle in Miesenbach von Friedrich Gauermann stammt aus dem Jahre 1819 und ist eine seiner frühesten Zeichnungen überhaupt. Sie war die erste Naturzeichnung des damals 11-Jährigen, der seinen Bruder Carl und Josef Höger, damals junge Kunststudenten, begleitet hatte. Mit der Darstellung von Mühlengebäuden beschäftigten sich die drei Künstler auch in der Folgezeit sehr intensiv.
Rund zehn Jahre später, vor 1830, entstand diese meisterliche Ölskizze. Trotz vieler Gemeinsamkeiten des dargestellten Mühlengebäudes mit gesicherten Ansichten der Postlmühle in Miesenbach, muss die bisherige topografische Zuordnung in Frage gestellt werden. Einerseits sind Gemeinsamkeiten überwiegend durch die Konstruktion der Mühle bedingt, andererseits gibt es aber große Unterschiede zu der gesamten Situation des Mühlenbereichs, den Carl Gauermann ausführlich geschildert hat. Auffällig ist vor allem, dass in der Ölskizze rechts kein zweites Mühlengebäude zu sehen ist und auch jegliche Hinweise darauf, wie zum Beispiel der zweite Mühlgang, gänzlich fehlen. Es kommt zwar vor, dass in Naturstudien Gauermanns ganze Teilbereiche ausgespart wurden, doch ist es ungewöhnlich, dass er anstelle der weggelassenen Partien das Motiv frei ergänzt hätte, in diesem Fall die ganze rechte Seite der Naturstudie.
Während Gauermann die Ölskizze nicht als Vorlage für ein Gemälde genutzt haben dürfte, lieh sie Josef Höger etwa 20 Jahre später aus, um 1851 eine Sägemühle bei Aussee (!) zu malen, und wiederholte die dargestellte Situation bis ins Detail.
(Quelle: W. Krug, Friedrich Gauermann 1807-1862, 2001, S. 116)