Seit den beginnenden sechziger Jahren setzte sich Michelangelo Pistoletto mit dem Dispositiv des Spiegels auseinander. 1961 entstand das erste "Quadro specchiante" innerhalb einer Gruppe von Arbeiten, die Spiegel und Fotografie in einer neuen Bildkonzeption miteinander in Verbindung brachten. Pistoletto sprach in diesem Zusammenhang von "Fotogrammen". Fotografie ist für ihn als Erinnerung, als Gedächtnis von Bedeutung, das er in die reale Umgebung einbezieht. Ausgehend von der Überlegung, einen Ort zu erzeugen, der den Übergang zwischen der fotografischen Reproduktion und dem Spiegel provoziert, entsteht das Spiegelbild zeitgleich - ohne Zeitverschiebung zwischen Körper und Spiegelbild - mit dem Realbild. Im Vergleich zum Maximum der Langsamkeit der Fotografie ist das "Quadro specchiante" das Maximum an Geschwindigkeit, es ist Augenblick und Gegenwart mit der Fotografie als Referenzpunkt. Pistoletto hat in den Spiegelbildern die menschliche Figur in einem anderen Zusammenhang als den der Perspektive neu aufgebaut, der Spiegel gibt viele Bilder, aber er ist kein Mittel der Repräsentation. Die zu dieser Gruppe gehörende Arbeit "Figura che mostra lo specchio - Autoritratto" wurde 2000 für die Bibliothek angekauft.
(Suanne Neuburger)
Aus: Öffentliche Kunst, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich 6 (2002)