Die so genannte "Spinnerin am Kreuz" aus dem späten 14. Jahrhundert ist ein Meisterwerk mittelalterlicher Steinmetzarbeit und gilt als eindrucksvollstes Zeugnis der sich zu dieser Zeit in Wiener Neustadt entfaltenden Bautätigkeit.
Die außerhalb des nördlichen Stadttores errichtete gotische Wegsäule, das "stainen Creuz", wie sie bis 1649 genannt wurde entstand vermutlich in den 1380er Jahren. Darauf deuten zwei Wappen und vier Porträtbüsten, die etwa in halber Höhe der Säule angebracht sind: Das eine Wappen, das im Schild eine Kanne zeigt, ist jenes des Wolfhart von Schwarzenberg, der 1382 bis 1384 Stadtrichter und 1391 bis 1392 Bürgermeister von Wiener Neustadt war. Er war mit großer Wahrscheinlichkeit der Stifter der Säule. Das zweite Wappen gehörte dem herzoglichen Baumeister Michael Knab (Chnab), als dessen Werk die Steinsäule gilt.
Die 21 m hohe Steinsäule steht heute auf einer künstlich aufgeschütteten Anhöhe. Das turmähnliche Monument verjüngt sich nach oben und wirkt immer mehr entmaterialisiert, bis es schließlich in den schlanken Helmabschluss mündet. Stilistisch steht die "Spinnerin am Kreuz" Türmen grundsätzlich näher als gleichzeitig entstandenen Bet- oder Lichtsäulen. Sie wurde aufgrund von Ähnlichkeiten zum Aufbau des Südturms von St. Stephan in Wien auch als "Stephansturm im kleinen" bezeichnet. Verwandschaft besteht auch zum so genannten "Schönen Brunnen" in Nürnberg (um 1385).