Der Eintritt in ein fremdes Gebäude verlangt zunächst einmal, sich zurechtzufinden. Unstet hascht der Blick nach Orientierungsmöglichkeiten und bleibt im besten Fall an einem Menschen hängen, der mit der Örtlichkeit vertraut ist, einem Portier etwa. Fehlt die Auskunftsperson, bleiben nur Zeichen zur Orientierung über. Doch was bedeutet es zum Beispiel, wenn im Eingangsbereich einer Akademie plötzlich Rotlicht leuchtet? Meist betritt man unbekannte Gebäude in Körper- und Geisteshaltungen, die in manchem dem Schutzzauber einer rituellen Initiation ähneln. Solche Schutzmechanismen unterläuft Ruth Schnell mit ihrer Arbeit "Virtual Terms". Sie konfrontiert den Besucher der Landesakademie mit Zeichen, die zu banal sind, um im ersten Moment als Kunstwerke erkennbar zu sein, und zu ungewöhnlich, um als bloße Orientierungszeichen angesehen zu werden.
In Augenhöhe hängen drei etwa 30 cm hohe, rot leuchtende LED-Stäbe an den Wänden. Einer befindet sich an der Ecke der Portiersloge, die zwei anderen leuchten in selber Höhe an der gegenüberliegenden Mauer. Alle drei strahlen von einem Computer generierte, unsichtbare Wörter ab, die jedoch einem Betrachter, dessen Blick über die drei Stäbe schwenkt, durch einen Nachzieheffekt auf seiner Hornhaut plötzlich im Raum erscheinen können. Unvermutet erfährt er durch diese zufällige Kopfbewegung etwas aus der fremden Umgebung.
(Quelle: C. Zillner, in: Veröffentlichte Kunst - Kunst im öffentlichen Raum 4, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 418, 1998)