Renate Kordon:
"Die Idee zu dieser kinetischen Skulptur entstand aus sehr didaktischen Anforderungen: Die am Dach der Schule von einem Windrad und Sonnenmodulen eingefangene Energie sollte durch ein Kunstwerk in Bewegung umgesetzt und bildhaft begreifbar werden. Das Besondere der 'Windwaage' ist nun, daß die Verwandlung der flüchtigen Naturkräfte in eine mechanische Leistung sehr prägnant dargestellt wird, daß dieser physische Effekt aber zugleich wieder in ein nicht-mechanisches, rein ästhetisches Phänomen transzendiert wird. Die vom Windrad erzeugte Elektrizität wird zunächst in die Physikklasse geleitet, wo sie an einem Messgerät abgelesen werden kann, und strömt dann weiter zur 'Windwaage', in der ein kleiner Motor die Auf- und Abwärtsbewegung der Kuben betreibt.
Der Turm selbst besteht aus vier extrem schlanken Nirosta-Stehern, die mit feinen Nirosta-Rundstäben kreuzweise ausgesteift sind. Auf diesen Stehern gleiten zwei oben und unten offene Kuben aus Steckmetall auf und ab; sie sind durch einen geschlossenen, über Umlenkräder geführten Seilzug miteinander verbunden. Der breitere Kubus fährt außen an den Stützen entlang, der höhere innen. In der Auf- und Abbewegung durchdringen sie einander, halten sich im Gleichgewicht und bilden in der Bewegung der färbigen, sich überschneidenden Gitterflächen ein bewegtes Moire-Bild. Es entsteht ein sehr meditativ wirkender, optischer Effekt, der an das Flimmern einer Wasseroberfläche oder eines Fernsehschirms erinnert. Dieses 'Filmbild' lässt sich besonders gut vom großen Pausenraum im ersten Stock des Schulhauses aus betrachten.
Die Farben der Kuben sind helltürkis (außen) und lichtgelb (innen). In ihrer Überschneidung erfolgt eine virtuelle Farbmischung zu gras-grün hin. Die 'Windwaage' steht etwas versetzt vor dem Haupteingang der Schule und ist ein wenig aus der Achse der Bäume zur Straße gerückt, um den Ort auch für den vorbeifahrenden Autofahrer zu markieren.
'Windwaage' wirkt grazil und schwerelos und gibt dem Gebäude wie dem Umraum eine großzügige Dimension. Energiebewusste, komplexe Technik verwandelt sich - von der Luft in der Luft bewegt - in subtile, spielerische Ästhetik."
(Quelle: Veröffentlichte Kunst - Kunst im öffentlichen Raum 3, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 381, 1995)