Hausleiten


Gemeinde Hausleiten

Ortsgeschichte

Westlich von Stockerau am Fuße des Wagrams liegt Hausleiten. Heute besteht die Marktgemeinde aus den Orten bzw. Katastralgemeinden Gaisruck, Goldgeben, Hausleiten, Perzendorf, Pettendorf, Schmida, Seitzersdorf-Wolfpassing, Trübenseer Auanteil, Zaina und Zissersdorf.

Der Wagram war bereits in urgeschichtlicher Zeit Siedlungsgebiet. So fanden sich auch in Hausleiten, als man während des Zweiten Weltkriegs im Nordwesten des Ortes einen Splittergraben aushob, hallstattzeitliche Siedlungsreste. Die in exponierter Stelle auf dem Wagram liegende Pfarrkirche war Teil einer Kette von ursprünglich vermutlich wehrhaft ausgestatteten Kirchen auf dem Wagram. Hausleiten gehörte zum Besitz der Passauer Bischöfe. Zwar finden wir erst 1171 mit Chunradus de Husludên, einem Passauer Ministerialen, die erste urkundliche Nennung von Hausleiten. Die Pfarre Hausleiten dürfte aber um einiges älter sein. St. Agatha gilt als die Mutterpfarre des südwestlichen Weinviertels. Ihr Gebiet reichte von der Schmida bis zur Donau im Süden, Hollabrunn im Norden und Schöngrabern im Osten. Vierzehn Filialkirchen und Kapellen waren hier eingepfarrt. Vielleicht entstand die Pfarre schon um 900, als bayerische Mönche das Gebiet kolonisierten. Für diese frühe Gründungszeit spricht auch das Patrozinium. Das Agatha-Patrozinium ist typisch für den bayerischen Raum. Urkundliche Nennungen finden sich in einigen Stiftsarchiven: So wird im Klosterneuburger Salbuch um 1195 als Zeuge Rulandus decanus de sancta Agatha genannt. Ein Pilgrimus de sancta Agatha tritt als Zeuge in einer Urkunde im Stiftsarchiv Altenburg (1200-1204) auf. 1207 findet der Dekan von St. Agatha in einer Urkunde des Stiftes Melk Erwähnung. 1219 tritt Vdalricus de Sancta Agatha decanus als Streitschlichter bei einer Auseinandersetzung des Stiftes Seitenstetten mit dem Pfarrer von Mühlbach auf (Stiftsarchiv Göttweig). Der nicht mehr erhaltene Ansitz der Passauer Ministerialen stand vermutlich ebenfalls auf dem Geländesporn des Wagram-Abfalles, auf dem die Kirche und heute auch der Pfarrhof stehen. Angeblich waren im Bereich des heutigen Friedhofes noch im Jahr 1603 die Wallanlagen des ehemaligen Sitzes vorhanden. Passauer Vögte waren zunächst die Herren von Werd, ab 1304 Dietrich von Pillichsdorf, der seit 1303 das Amt des Hof- und Landmarschalls im Herzogtum Österreich ausübte.

Der Kirchenbau mit seinem markanten Südturm entstand ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im 14. Jahrhundert wurde der Chor errrichtet. 1499 wurde das Langhaus eingewölbt. Die Barockisierung erfolgte durch Pfarrer Josef Matthäus Gschellhammer (1756-1782). Der baufällige Karner im Friedhof wurde abgerissen. An der Nordostecke der Kirche ließ Gschellhammer ab 1770 die Aloysius-Kapelle errichten. Sie verbindet die Kirche mit dem Pfarrhof, dessen Um- und Neubau 1777 vollendet war. Für die Ausstattung der Kirche zog Gschellhammer namhafte Künstler heran. So führte die Altarbilder für die neu geschaffenen Altäre Martin Johann Schmidt aus. Die Aloysius-Kapelle besitzt eine einheitliche Rokoko-Ausstattung. Die Kreuzwegbilder stifteten 1774 der Richter und Bürger aus Hausleiten. Die noch erhaltene Urkunde trägt ein Siegel mit der ältesten Darstellung des „Hauses auf der Leiten“.   

Zu Füßen der Kirche entstand die Kirchsiedlung Hausleiten. Sie zeigt noch heute die typische von Gräben und Hohlwegen durchzogene Form eines Weinviertler Grabendorfes. Der Stranzendorfer Bach durchfließt den Ort. Links und rechts davon reihten sich die Häuser. Das Zentrum bildete der Anger. Während der Reformation blieb der Ort katholisch. 1590 standen in Hausleiten 65 Häuser: 49 gehörten dem Hochstift Passau, zehn dem Pfarrer, zwei der Kirche und vier dem Grafen Hardegg. Unter den im Ort angesiedelten Handwerkern gab es seit 1600 eine Weiß- und eine Schwarzhafnerei. Diese Betriebe versorgten u.a. die Burg Kreuzenstein mit Hafnerware. In der Weißhafnerei fertigte Philipp Dreyhahn 1778 einen Riesenkrug mit dem Bild der Heiligen Familie an (jetzt Landessammlungen Niederösterreich). Mit der Neuordnung der Kirchenlandschaft durch Kaiser Joseph II. kam die Pfarre Hausleiten 1783 zur neu gegründeten Diözese Wien.

Bis 1803 blieb Hausleiten im Besitz der Diözese Passau. Mit der Auflösung des Hochstiftes Passau 1803 entstand 1804-1808 die „Staatsherrschaft Königstetten“, die die passauischen Besitzungen in Hausleiten, Gaisruck, Trübensee und Oberalberndorf umfasste. Während der Napoleonischen Kriege nahmen 1805 400 französische Soldaten mit 120 Pferden im Pfarrhof Quartier. Sie plünderten den Ort und den Pfarrhof. Der Wiener Jurist Ritter von Levitschnigg zu Glomberg erwarb 1824 diese Güter. Zur Verwaltung der Herrschaft „Stetten“ wurde 1839 im Westen des Ortes das „Schloss“ als Verwaltungsgebäude mit einer großen Zehentscheune errichtet. Heute ist dort das Gemeindezentrum untergebracht.

Die Pfarre St. Agatha hatte schon länger das Recht, Märkte auf dem Platz vor der Kirche abzuhalten: Der Wochenmarkt fand an Sonn- und Feiertagen statt, Jahrmärkte zu Maria Lichtmess (2. Februar), zum Kirchweihfest (17. Oktober), zu Fronleichnam und vielleicht auch zu St. Agatha (5. Februar). 1832 verlieh Kaiser Franz I. Hausleiten das Marktrecht: Jährlich durfte der Ort nun am Donnerstag vor dem Palmsonntag und am 9. November einen Markt abhalten, ferner zwei Pferde- und Haarmärkte (= Flachsmärkte). Schweickhardt beschrieb in seiner „Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens, Viertel unterm Manhartsberg“ den Markt als Ort von 94 Häusern. Es wohnten dort 120 Familien. Der Viehbestand belief sich auf 31 Pferde, 83 Kühe, 160 Schafe und 34 Schweine. Auf den Feldern bauten sie Weizen, Korn, Gerste, Hafer, Erdäpfel und Kraut. Der Weinbau war unbedeutend. Der durch den Ort fließende Stranzendorfer Bach betrieb drei Mahlmühlen.

Mit der Aufhebung der Grundherrschaft und der Neuordnung der Gemeinden kam es 1850 zur Gründung von drei Großgemeinde: Hausleiten mit Goldgeben, Schmida und Oberzögersdorf, Gaisruck mit Perzendorf und Zaina sowie Pettendorf mit Seitzersdorf, Wolfpassing und Zissersdorf. Hausleiten lag an der Straße von Wien über Stockerau nach Krems. Aber erst 1854 hielt die Postkutsche hier dreimal wöchentlich. Mit dem Bau der Bahnverbindung Stockerau-Absdorf 1904 wurde der Postkutschenverkehr eingestellt.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde westlich von Hausleiten ein Barackenlager für die Arbeiter errichtet, die den Brückenkopf Tulln bauen sollten. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie lösten sich 1920 die 1850 entstandenen Großgemeinden wieder auf, sieben Gemeinden entstanden: Hausleiten mit Goldgeben, Perzendorf mit Zaina, Schmida mit Oberzögersdorf, Pettendorf, Gaisruck, Zisserdorf und Seitzersdorf mit Wolfpassing. Seit 1931 verkehrte eine Autubuslinie auf der Strecke Stockerau-Hausleiten-Tulln. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs arbeiteten 100 polnische Zwangsarbeiter*innen in den bäuerlichen Betrieben Hausleitens. Als die Bombardements in Wien zunahmen, wurden kirchliche Kunstschätze aus Wien im Pfarrhof in Sicherheit gebracht. Bei den Angriffen auf die kriegswichtigen Ziele im Tullnerfeld wurde der Markt von den Bomberstaffeln häufig überflogen. Bis April 1944 zählte man 103 Fliegeralarme. Nach dem Fall von Wien zog sich die Wiener Flak nach Hausleiten zurück. Der Kirchturm diente als Beobachterposten. Er wurde zwar unter Beschuss genommen, blieb aber unversehrt. Nur zwei Häuser wurden durch Bomben beschädigt.

Die ersten Jahrzehnte nach Ende des Krieges dienten dem Wiederaufbau der Infrastruktur. Auf Basis der NÖ Gesetze zur Gemeindestrukturverbesserung schlossen sich 1971 Gaisruck, Goldgeben, Hausleiten, Perzendorf, Pettendorf, Schmida, Seitzersdorf-Wolfpassing, Zaina und Zissersdorf zur Marktgemeinde Hausleiten zusammen. Mit Bescheid vom 3. April 1979 verlieh die NÖ Landesregierung der Marktgemeinde ein Wappen: In einem grünen Schild ein gequadertes silbernes Kirchengebäude mit offenem schwarzen Rundbogentor, drei geschlossenen schwarzen Fenstern und aufgesetztem silbernen Glockenturm mit abwehender Fahne, begleitet von zwei im Schildesfuß sich kreuzenden goldenen Ähren und einer über der Ährenverbindung liegenden goldenen Eichel. Die eingereichten Gemeindefarben Grün-Weiß-Gelb wurden genehmigt. Nach Um- und Zubauten konnte 1985 ein modernes Volksschulgebäude seinen Betrieb aufnehmen. Der Stranzendorfer Bach, der bisweilen zu heftigen Überschwemmungen geführt hatte, erhielt 1987 ein Entlastungsgerinne. Durch die gute Verkehrsanbindung wurde die Marktgemeinde zunehmend zu einem beliebten Wohnort, wie die rasche Zunahme der Bevölkerung zeigt: Verfügte der Ort 2001 über 1.078 Haushalte, so waren es 2011 bereits 1.431 Haushalte.