Ober-Grafendorf


Gemeinde Ober-Grafendorf

Ortsgeschichte

Ober-Grafendorf ist der Hauptort des mittleren Pielachtales. Hier trifft die ehemalige römische Ost-West-Verbindung (Spratzern–Kilb–Mank) auf die Straße, die aus dem oberen Pielachtal kommt und über Markersdorf nach Aggsbach zur Donau weiterführt – eine alte Salzstraße. Die Bezeichnung „grafen“ im Ortsnamen geht auf das 11. Jahrhundert zurück: Kaiser Heinrich III. schenkte Markgraf Adalbert dem Siegreichen im Jahr 1043 das Gut Bribesendorf in pago Pielaha. Dieses Gut dürfte die Keimzelle des späteren Ortes „im Pielachgau“ gewesen sein und wird im Bereich der heutigen unteren Marktgasse vermutet. Als eigentlicher Gründer des Ortes sind Friedrich I. von Tengling und Peilstein oder sein Sohn Sighard I. von Burghausen-Schala (+1104) anzusehen Die älteste Nennung des Ortes geht auf das Jahr 1122 zurück; für dieses Jahr wird die Schenkung eines Weinberges bei Grauindorf  (bzw. Gravindorf) in einem Codex des Klosters Garsten angeführt. Heute erinnert nur noch die Flurbezeichnung „Weingartfeld“ im Südwesten des Ortes an den früheren Weinbau. Nach dem Tod Friedrichs V. von Peilstein ging die Herrschaft im Erbfall an die Waldviertler Grafen von Plain-Hardegg. Sie waren Inhaber des Amtes Grafendorf, der Fischweide in der Pielach und  Patronatsherren der Pfarre.

Die Pfarre Ober-Grafendorf, heute dem hl. Josef geweiht, früher Mariae Heimsuchung, entstand Ende des 12. Jahrhunderts als grundherrliche Gründung und erscheint bereits im Lonsdorfer Codex als Eigenpfarre der Grafen von Hardegg. 1248 wird sie noch als Filiale von St. Pölten genannt, war aber schon vorher selbständige Pfarre. Während der Reformationszeit wurde die Pfarre ihrer Dotation beraubt und war daher nicht mehr besetzt. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts verstärkten sich die Bemühungen um ihre Wiedererrichtung. Schließlich befahl Kaiser Ferdinand II. die Pfarre dem Chorherrenstift St. Pölten zu überlassen. Bis 1785 galt sie nun als Stiftspfarre. Mit der Pfarrreform unter Kaiser Joseph II. ging sie in den Religionsfonds über.  

Nach wechselnden Besitzern im 15. und 16. Jahrhundert erwarb Johann Karl von Sitzendorf, der seit 1649 alleiniger Besitzer von Fridau war, 1652 die Ämter Grafendorf, Gattmannsdorf und Völlerndorf sowie die Landesgerichtssprengel Grafendorf und Gattmannsdorf von den Jörgern in Zagging und Hausenbach, die mit den Grabnern mehrfach verschwägert waren. Kurz danach wurde dem Ort das Marktrecht verliehen; denn schon in den ab 1656 neu angelegten Pfarrmatriken wird vom Markt Ober-Grafendorf gesprochen.

Im Türkenjahr 1683 wurde der Pfarrhof angezündet, von dem ausgehend dann der ganze Markt in Flammen aufging. Die Kirche blieb verschont, wurde aber als Stall für Kamele und Pferde verwendet. Die Bewohner flüchteten in das nahe gelegene Schloss Fridau. Die Sinzendorfer verkauften die Herrschaft Fridau und Rabenstein 1708 an den Diplomaten Herkules Josef Ludwig Turinetti de Prié, einem Freund Prinz Eugens. Zur Zeit des Österreichischen Erbfolgekrieges stießen französische Truppen bis an die Traisen vor und fielen auch in Ober-Grafendorf ein. Pfarrer Hacker gelang es aufgrund seiner Fremdsprachenkenntnisse zu vermitteln, die Bevölkerung hatte dennoch Kontributionszahlungen nach Melk abzuliefern. 1750 kaufte der Heereslieferant Johann Georg Edler von Grechtler die verschuldeten Herrschaften Fridau und Rabenstein. Bereits ein Jahr später erweiterte er seinen Besitz um die Herrschaften Kirchberg an der Pielach, Weißenburg, Maidburg und Salau. In Fridau gründete er gemeinsam mit dem Schweizer Johann Fries eine Barchentmanufaktur, die in der Folge Spinner und Weber vor allem im Waldviertel beschäftigte. Seine einziger Sohn Georg Anton Freiherr von Grechtler ließ in Ober-Grafendorf ein Armenhaus errichten und stiftete dazu 1500 Gulden. In den Jahren 1805 und 1809 besetzten die Franzosen erneut Ober-Grafendorf; Marschall Louis-Nicolas Davoût residierte in Fridau. Seine Nichte, die Braut eines französischen Generals, starb am 5. Dezember 1809 und wurde auf dem neuen Ortsfriedhof beigesetzt.

Mit dem Bau der Pielachtalbahn von St. Pölten nach Kirchberg an der Pielach ab 1898 entstand in Ober-Grafendorf ein Bahnknotenpunkt, da hier die Nebenlinie nach Mank abzweigte. Bereits 1919 wurden die Straßen mit Klinkersteinen gepflastert und die Allee an der Hauptstraße sowie an der Bahnhofpromenade gepflanzt. Ober-Grafendorf galt als „einer der schönsten und reinsten Märkte Niederösterreichs.“ 1930 wurde die Pielach bei der Bahnbrücke in Völlersdorf reguliert, um gegen Hochwasser besser vorzubeugen. Nach der Kanalisierung des Ortes 1952–56 wurde eine Ortswasserleitung errichtet. Die Verleihung eines Marktwappens erfolgte 1959. Es ziert auch den von dem Bildhauer Heribert Rath geschaffenen Marktbrunnen, der an den Bau der Ortswasserleitung erinnern soll.