Ortsgeschichte
Im westlichen Wienerwald liegt die Marktgemeinde Tullnerbach-Lawies. Zur Gemeinde gehören neben den Hauptorten Irenental, Tullnerbach-Lawies und Untertullnerbach u.a. auch die Rotten Troppberg, Riederberg und Weidlingbach. Zwei Hauptorte – Tullnerbach-Lawies und Untertullnerbach- liegen im Tal des Wienflusses (Tullnerbaches). Die dritte Ortschaft Irenental liegt nördlich in einem Seitental. Das Gemeindegebiet zieht sich gegen Norden bis zum Riederberg.
Siedlungsspuren reichen bis in die Eisenzeit („Urnenfelderkultur“) zurück, wie ein Hügelgräberfeld am Troppberg belegt.
Im Jahr 1156 wurde der Wienerwald zum Bannwald ausgerufen und war unantastbares Jagdgebiet des Landesfürsten. Am Riederberg wurde 1436-1442 das Franziskanerkloster Sancta Maria in Paradyso durch den Vikar der Franziskaner Gabriel von Verona errichtet. Das Kloster diente als Ausbildungsstätte der Österreichischen Ordensprovinz der Franziskaner. Schon für das 14. Jahrhundert wurde hier mehrfach eine dem hl. Laurentius geweihte Kapelle erwähnt. Die Klosterkirche war Maria und dem Hl. Laurentius geweiht. Nach einem Brand 1509 wieder notdürftig hergerichtet wurde die Anlage während des ersten Osmanensturms 1529 zerstört und in der Folge nicht wieder aufgebaut.
Erst am 4. April 1565 liest man erstmalig in einer Urkunde von Tulnerpach, als Maximilian II. eine Besicht- und Beraittung unseres Wienner-Waldts verordnet. Denn für den Brennholzbedarf der Hofburg (600-700 Klafter Scheiter Holz täglich) wurde ein eigener Wald in Tullnerbach reserviert. Bereits wenige Jahre (1572) später ist eine kleine Siedlung dokumentiert, die stetig ausgebaut wurde. Der Ort wuchs aus einzelnen Holzarbeitersiedlungen und verstreut liegenden Gehöften zusammen. Lawies wurde 1635 erstmals als Labiwießen erwähnt. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden Holzfäller aus den Alpenländern und Süddeutschland angesiedelt, die in sog. „Duckhütten“ wohnten. Das „Tullnerbacher Amt“ wurde 1681 in einer kaiserlichen Verfügung als Waldamt genannt. Zwei Jahre später wurden Bewohner während der Belagerung Wiens durch die Osmanen verschleppt oder getötet. 1755 wurde die Herrschaft Purkersdorf mit ihren Waldämtern Staatseigentum, die amtliche Besiedelung kommt zu einem Abschluss. Eine erste Volksschule wurde 1791 durch das k.k. Waldamt in Irenental errichtet.
Im Revolutionsjahr 1848 wurde die Waldamtsherrschaft Purkersdorf aufgelöst. 1864 erhielten die Hüttler von der Grundlasten-, Ablösungs- und Regulierungskommission Grund zugesprochen, der sie zu selbständigen Bauern machte und die Existenzen auf lange Zeit sichern sollten. Mit der Eröffnung der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn 1858 erlebten die „Holzhauersiedlungen“ des Wienerwaldes einen massiven Aufschwung. Die Region wurde zum Naherholungsgebiet für die Wiener/innen. Tullnerbach wurde 1873 von Pressbaum getrennt und selbständige Gemeinde. Ab 1881 wurde das Norbertinum nach Plänen von Richard Jordan errichtet. Die ausgedehnte vierflügelige historistische Anlage diente als Lehr- und Erziehungsanstalt des Katholischen Waisenhilfsverein und stand unter der Leitung der Kongregation der Schulbrüder. Um die schweren Überschwemmungen durch den Wienfluss hintanzuhalten, begann man 1884 mit der Regulierung des Flusses und legte das Staubecken des Wienerwaldsees im Gemeindegebiet von Purkersdorf, Pressbaum und Tullnerbach an. 1899 war das Projekt abgeschlossen. Das Wientalwasserwerk versorgte die westlichen Bezirke Wiens mit Nutzwasser aus dem Staubecken.
In den Jahren 1886 bis 1888 wurden zirka 20 Villen in Lawies („Laubwiese“) durch die Stadtbaumeister Honus und Lang im historistischen Stil erbaut und schlüsselfertig zum Verkauf angeboten. Lawies entwickelte sich in der Folge zu einer beliebten Wohngegend. Bis zur Jahrhundertwende entstanden 45 Villen, ein Hotel und zwei Geschäftshäuser. Am 16. Juni 1901 erfolgte die feierliche Einweihung der Kirche Maria Schnee im Irenental, ein Bau im sezessionistischen Stil. Bis 1942 war sie eine Filialkirche der Pfarre Purkersdorf. Am 3. Oktober 1901 erlebte der Wienerwaldstausee ein spektakuläres Ereignis: Wilhelm Kress startete mit seinem Drachenflieger den ersten österreichischen Flugversuch. Der Flugapparat war als Wasserflugzeug gebaut. Allerdings kippte er beim Startversuch und versank. Kress konnte noch rechtzeitig geborgen werden.
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 wurde Tullnerbach nicht an Groß-Wien angeschlossen, wie es dem benachbarten Purkersdorf widerfuhr. Der Tullnerbach bildete die Grenze zwischen dem Bezirk St. Pölten und Groß-Wien. Das Norbertinum wurde beschlagnahmt und dem Eigentum des Reichsgaus Niederdonau einverleibt. 1940 eröffnete in dem Gebäude eine Haushaltungsschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm 1947 das Land Niederösterreich das Gebäude und richtete dort die Niederösterreichische Landwirtschaftliche Fachschule ein. Heute wird dort die Fachrichtung Pferdewirtschaft unterrichtet.
Die fünf Wienerwaldgemeinden Gablitz, Mauerbach, Pressbaum, Tullnerbach und Wolfsgraben wurden am 1. Jänner 1956 in den neu gebildeten Bezirk Wien-Umgebung eingegliedert. Im Norbertinum fand am 4. November 1973 die feierliche Überreichung der Markterhebungsurkunde statt. Mit Bescheid vom 13. März 1973 verlieh die NÖ Landesregierung der Gemeinde ein Wappen: Ein durch eine querliegende goldene Luftschraube zwei zu eins geteilter Schild, der in seinem oberen grünen Feld ein von einer silbernen Zugsäge durchzogenes goldenes Jagdhorn zeigt und dessen unteres blaues Feld von zwei silbernen Wellenfäden durchzogen wird. Die Gemeindefarben Blau-Gelb-Grün wurden genehmigt. Mit 1. Jänner 2017 wurde der Bezirk Wien-Umgebung aufgelöst. Tullnerbach-Lawies wurde in den Bezirk St. Pölten eingegliedert.