Die Kuenringerstädte
Gmünd, Dürnstein, Weitra, Zistersdorf und Zwettl sind die fünf niederösterreichischen Städte, die von den Kuenringern gegründet wurden und unterschiedlich lang unter kuenringischer Herrschaft waren.
Zwettl und Gmünd entstanden im ausgehenden 12. Jahrhundert, Weitra im ersten Jahrzehnt und Dürnstein sowie Zistersdorf in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Die beiden zuletzt gegründeten Städte blieben auch am längsten - bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts - im Besitz der Kuenringer, doch fielen alle früher oder später an den Landesfürsten.
Die kuenringischen Städtegründungen sind im Rahmen des damaligen "Gründungsbooms" in Europa zu sehen. Die Ursachen waren der allgemeine Wirtschaftsaufschwung, die Bevölkerungsvermehrung und - damit verbunden - die Schaffung neuer Nahrungsgrundlagen waren. Auch bisher wenig besiedelte Gebiete wie das Waldviertel wurden in dieser Zeit erschlossen. Die Neugründungen des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden allerdings nicht auf der "grünen Wiese", sondern schlossen an bereits existierende Siedlungen an, die oft auch zentrale Funktionen hatten, wie die Pfarren in Zistersdorf, Zwettl und Altweitra oder der Markt in Altenmarkt bei Zistersdorf.
Einige der Kuenringergründungen hatten in erster Linie militärisch-strategische Bedeutung im Grenzland ("Waldviertler Burgstädte"), was sich auf ihre Anlage und Befestigung auswirkte. Bis auf Dürnstein liegen alle Kuenringerstädte auf Hochplateaus und waren mit Palisaden und Erdwerken, später mit Mauern befestigt. Selten gab es eine Ummauerung von Beginn an wie in Weitra, was die Bedeutung der Stadt als Grenzfestung zeigt.
Dürnstein und Gmünd gehörten zu den so genannten spätmittelalterlichen "Minderstädten" (Heinz Stoob), aber auch die anderen waren Kleinstädte mit nur wenig mehr als 500 Einwohnern. Zunächst bildeten Klerus und Ritterschaft die Oberschicht, zu der im späten 13. Jahrhundert reiche Bürger traten. Die Interessen des Stadtherrn nahmen die kuenringischen Ritter wahr, die sich zum Teil nach den Städten nannten oder städtische Häuser besaßen. Sie waren im Gericht Geschworene und führten in Abwesenheit des Gerichtsherrn den Vorsitz.
Die Entwicklung zur Stadt als eigenständiger, vom Umland abgegrenzter Rechtsbereich erfolgte im Spätmittelalter langsam und ohne größere Konflikte mit dem Stadtherrn, dessen Wappen oft im Siegel übernommen wurde: Am Anfang stand eine Bürgergemeinde, die sich als solche zu erkennen gab und auch ein Siegel besaß. Dann erscheint ein aus Bürgern bestehendes Zwölfergericht, das die niedere Gerichtsbarkeit ausübte. Den Vorsitz führte zunächst der Stadtherr, dann ein städtischer Richter, auf dessen Bestellung der städtische Rat als Vertretungsorgan der Gemeinde zunehmend Einfluss nahm und der üblicherweise bürgerlichen Standes war. In allen Kuenringerstädten fallen das Aufkommen bürgerlicher Stadtrichter, die Selbstorganisation der Bürgerschaft und die Entstehung des städtischen Rechtsbereichs zeitlich eng zusammen. Die kuenringische Ritterschaft verlor ihre Position als ursprüngliche Führungsschicht.
In wirtschaftlicher Hinsicht waren die Kuenringerstädte so genannte Ackerbürgerstädte, Dürnstein und Zistersdorf gehörten zum Sondertyp der Weinhauerstadt. Der Großteil der Bevölkerung lebte vom Anbau und Absatz der landwirtschaftlichen Produkte. Das Gewerbe produzierte für die Nahversorgung und den täglichen Bedarf. Bürger aus Zwettl und Weitra betrieben zwar auch Fernhandel, doch überwog der Handel auf dem Wochenmarkt. Jahrmarktsprivilegien bzw. gezielte wirtschaftliche Förderung - etwa das Brauprivileg für Weitra - erfolgten erst in nachkuenringischer Zeit.
Für die zentralörtliche Funktion der Städte blieb die Initiave der Kuenringer jedoch bestimmend: Alle Orte waren Mittelpunkte eines Landgerichts; Dürnstein und Weitra waren die Zentren der kuenringischen Herrschaften, Zistersdorf und Zwettl Sitze eines kuenringischen Stellvertreters; Zwettl, Weitra, Zistersdorf, Dürnstein wurden durch die kuenringischen Pfarrgründungen Mittelpunkte des kirchlichen Lebens.
(Quelle: R. Folkert, in: Die Kuenringer - Das Werden des Landes Niederösterreich, Katalog des NÖ Landesmuseums Neue Folge, Nr. 110, 1981, S. 112ff.)