Ortsgeschichte
Im westlichen Waldviertel, nahe der Grenze zu Tschechien befindet sich die Stadt Groß-Gerungs, gelegen inmitten einer reizvollen Naturlandschaft, deren Erscheinungsbild wesentlich von unterschiedlich ausgebildeten Granitformationen bestimmt wird. Für Erholungssuchende stellt die Region Groß-Gerungs ein besonders attraktives Ausflugs- und Reiseziel dar, das auch mit der „Waldviertler Schmalspurbahn" erreichbar ist.
Die Gründung der Siedlung Groß-Gerungs erfolgte an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert im Besitzbereich der Herren von Stiefern-Arnstein, Verwandten der Kuenringer, im Jahr 1261 wurde „Gerungs" erstmals urkundlich genannt. Nach dem Aussterben des Geschlechts der Stiefern-Arnsteiner um 1300 gewannen vor allem oberösterreichische Adelsfamilien an Einfluss und das ehemalige Herrschaftsgebiet der Stiefern-Arnsteiner zerfiel. Die größte Bedeutung kam den Herren von Volkensdorf zu, in deren Besitz sich Ort und Burg Groß-Gerungs bis 1395 als freies Eigen befanden; ihnen folgten als Besitzer zunächst die Maissauer, 1416 die Dachsberger nach. 1423 erbten die Starhemberger Groß-Gerungs und vereinigten den Besitz mit ihrer Herrschaft Rappottenstein. Im 16. Jahrhundert ging die Burg Groß-Gerungs ins Eigentum der Propstei Zwettl über und verfiel. Ab 1546 besaßen die Herren von Landau Markt (seit dem 14. Jahrhundert wurde in Groß-Gerungs Markt gehalten) und Herrschaft Groß-Gerungs, 1664 übernahmen die Reichsgrafen Abensperg-Traun den Besitz. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Groß-Gerungs eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde mit 1. Jänner 1992 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Zwettl zugewiesen.
Bis in die Neuzeit bildete die Landwirtschaft in Groß-Gerungs einen bestimmenden Faktor, die Bauern verkauften ihre Produkte allerdings vorwiegend an die lokale Bevölkerung, auch die Gewerbetreibenden produzierten hauptsächlich für den Bedarf vor Ort. Einzig der wöchentliche Viehmarkt gewann über Groß-Gerungs und Umgebung hinausgehende Bedeutung, es wurde sogar eine nach Groß-Gerungs benannte Rinderrasse gezüchtet, die "Germser" (oder Braunhelmaten). Der Fremdenverkehr erlangte in den letzten Jahrzehnten einen immer größeren Stellenwert, eine Entwicklung, die auch im Zusammenhang mit der Errichtung einer Kuranstalt in Groß-Gerungs im Jahr 1987 zu sehen ist.
Der erste Industriebetrieb siedelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Groß-Gerungs an, es handelte sich um eine Leinen- und Baumwollfabrik, deren Mitarbeiter 1854 an 40 Handwebstühlen arbeiteten; die Produktion wurde allerdings bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder eingestellt. Seit dem 17. Jahrhundert wurde in Groß-Gerungs Bier gebraut, 1956 stellte „Tiger Bräu“ als letzte Brauerei in Groß-Gerungs den Betrieb ein.
Groß-Gerungs war im Verlauf seiner Geschichte mehrmals von den Auswirkungen kriegerischer Ereignisse betroffen: 1428 zogen die Hussiten plündernd und brandschatzend durch den Ort, während des Dreißigjährigen Krieges steckten 1619 kaiserliche Truppen Groß-Gerungs in Brand und 1645 zündeten die Schweden Häuser an und beraubten die Bevölkerung. 1809 kam es zur Einquartierung napoleonischer Truppen in Groß-Gerungs. Am 9. Mai 1945 marschierten Einheiten der Sowjetarmee in Groß-Gerungs ein.
Die Pfarre Groß-Gerungs entstand vermutlich bereits im 12. Jahrhundert als Eigenpfarre der Herren von Stiefern-Arnstein, 1295 wurde der erste Pfarrer genannt. Groß-Gerungs befand sich in einem evangelischen Kerngebiet Niederösterreichs, die Starhemberger und später die Herren von Landau unterstützten den Protestantismus. Von 1562 bis 1628 gab es einen protestantischen Pfarrer in Groß-Gerungs und zeitweilig war der Anteil der protestantischen Bevölkerung der zahlenmäßig höchste im Vergleich zu anderen Orten im Waldviertel. Die Gegenreformation wurde von den Kapuzinern durchgeführt, Förderer dieser Bewegung waren die Reichsgrafen Abensberg-Traun.
Mit Bescheid vom 12. April 1983 verlieh die Niederösterreichische Landesregierung der Marktgemeinde ein Wappen: In einem durch drei blaue Wellenfäden geteilten goldenen Schild, oben über der Schildesteilung schwebend ein grünes Majuskel-M, unten aus einem im Schildesfuß befindlichen Dreiberg emporwachsend drei grüne Fichten. Die vom Gemeinderat festgesetzten Gemeindefarben Blau-Gelb-Grün wurden genehmigt.