Großweikersdorf


Gemeinde Großweikersdorf

Ortsgeschichte

Im Tal der unteren Schmida liegt die Marktgemeinde Großweikersdorf. Sie besteht heute aus den Katastralgemeinden Ameisthal, Baumgarten am Wagram, Großweikersdorf, Großwiesendorf, Kleinwiesendorf, Ruppersthal und Tiefenthal.

Die ersten Besiedlungsspuren dieser fruchtbaren Region stammen aus dem Neolithikum. Reste von Mammutjägerstationen fanden sich bei Ruppersthal (Fundstelle „Mordthal“) und Großweikersdorf (Fundstelle „Alter Ziegelofen“). Die bedeutendste Fundstelle der Bronzezeit liegt auf dem „Hausberg“: Die dort freigelegten Vorratsgruben enthielten noch verkohlte Getreidekörner, Belege für den frühen Ackerbau in dieser Region. Die Fundstelle „Lagerhaus“ barg ein Metalldepot aus der Hallstattzeit.   

Im Traditionscodex B des Stiftes Göttweig findet sich in einer Urkunde aus der Zeit um 1108-1121 die älteste Nennung von „Wiesendorf“: Megingoz von Grie schenkte dem Stift einen Hof ad Wisidorf. Im selben Codex treten bei einem Eintrag aus der Zeit von 1125 bis 1136 unter den Zeugen Sigifrid et Hugo de Witigeisdorf auf. Sie beglaubigten die Schenkung des Gutes Tiufintal (Tiefenthal) durch Perhard von Grabern. Sie waren Mitglieder einer hier ansässigen Adelsfamilie, die in der Forschung mit den „Orphani“ (=„Waisen) identifiziert werden. Eine von Siegfried Orphanus geplante Stiftung eines Kollegiatstiftes in Weikersdorf scheiterte letztlich trotz der Unterstützung durch Herzog Leopold VI. Die diesbezügliche von Papst Honorius III. ausgestellte Urkunde aus dem Jahr 1221 erwähnt eine ecclesia sancti Georgii in Wirgensdorf. Aus dem Jahr 1226 stammt die Nennung des ersten Pfarrers in Weittingisdorf. Die Pfarre war landesfürstlich. Schon für das 12. Jahrhundert lässt sich in der Gegend Weinbau belegen: In einer Urkunde aus dem Zeitraum 1157-1163 bestätigte Bischof Konrad von Passau u.a. die Schenkung eines Weingartens in Wiesendorf (vinea in Wisendorf). 1242 fand hier ein Heerlager Herzog Friedrich II., des Streitbaren statt. Im landesfürstlichen Urbar werden um 1277 ein Landgericht und ein Marktgericht zu Weikersdorf erwähnt. 1290 verpfändeten die Landesfürsten das Landgericht an die Herren von Winkl. Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt die Nennung einer vest zu Weichartsdorf.  

Maximilian I. verkaufte 1495 den landesfürstlichen Markt und das Landgericht Weikersdorf an Heinrich Püschenk, Graf von Hardegg und Inhaber der Herrschaft Grafenegg. Noch vor diesem Zeitpunkt wurden „Banntaiding und Gerechtigkeit von Weikherstorff“ aufgezeichnet. Kaiser Ferdinand I. verlieh 1550 dem Ort ein Marktwappen. Ab 1558 wurde Weikersdorf ein Zentrum des Protestantismus. Zwei Inhaber der Herrschaft Grafenegg ließen sich in der Pfarrkirche begraben: Hans Turzo (1587) und Friedrich Saurau (1604). Die Gegenreformation unter Ferdinand II. setzte dem Protestantismus auch in Weikersdorf 1622 ein Ende. Die Herrschaft Grafenegg und mit ihr Weikersdorf gelangte in den Besitz der katholischen Grafen Verdenberg.

Kaiser Ferdinand II. bestätigte 1636 das Marktrecht und verlieh dem Markt eine Wappenbesserung. In das Wappen wurde die Turteltaube, die sich in der Helmzier der Grafen von Werdenberg befand, aufgenommen. Das heutige Wappen zeigt einen „geteilten Schild, im oberen blauen Feld auf einem grünen Dreiberg eine silberne Turteltaube sitzend, die in ihrem Schnabel vorwärts führend einen fünfblätterigen Lorbeerzweig hält, im unteren Feld eine abgeschnittene Weinrebe mit Weintraube und zwei Weinblättern.“ Der Markt erhielt überdies das Recht grün zu siegeln. Die Bürger durften sich nun auch offiziell „Bürger“ nennen und besaßen das Recht, den Marktrichter und den Rat zu wählen. Bestätigt wurde ferner das Recht, einen Wochenmarkt an jedem Montag und zwei Jahrmärkte (vierzehn Tage vor Pfingsten und am Sonntag nach Mariä Geburt) abzuhalten. Weiters durfte der Markt anlässlich der Jahrmärkte einen Holz-, Ross- und Viehmarkt veranstalten.    

Von den großen kriegerischen Auseinandersetzungen des 17. Jahrhunderts blieb Weikersdorf weitestgehend verschont. Zwar näherten sich 1644 die Schweden bedrohlich dem Ort, drangen aber nicht bis zu ihm vor. Seit 1692 pilgerten die Gläubigen einmal im Jahr nach Mariazell. Auf dem „Kogel“ errichteten sie eine eigene Wallfahrtskapelle, die „Kreuzbergkapelle“, die 1710 fertiggestellt wurde. Sie entwickelte sich bis zu ihrer Aufhebung 1783 zu einem vielbesuchten regionalen Zentrum. 1698 übernahmen die Grafen Enkevoirth die Herrschaft Grafenegg und damit auch Weikersdorf. Die wirtschaftliche Entwicklung förderte der 1711-1714 erfolgte Bau der sog. Kaiserstraße (auch „Reichsstraße“ oder „Böhmische Straße“ genannt) von Wien nach Prag, die durch den Markt führte. Die vor allem nach dem Großbrand von 1727 erfolgten Neubauten im Ort orientierten sich an ihrer Streckenführung. Zwei große Einkehrwirtshäuser sorgten für die Versorgung der mit der Postkutsche Reisenden. 1772 wurde eine Poststation mit Pferdewechselstation eingerichtet.  

Da der Brand 1727 auch die Kirche in Mitleidenschaft zog, begann man 1733 mit dem Bau einer neuen Pfarrkirche direkt auf dem Hauptplatz. Wenzel Adrian Graf Enkevoirth holte zwei Wiener zum Bau nach Weikersdorf: Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Johann Martinelli. 1740 wurde die erste Messe gelesen. Die Ausstattung des Kircheninneren erfolgte in den folgenden Jahrzehnten. Der Kirchturm erhielt erst 1834-1838 seine heutige Höhe von 61m. Diese Aufstockung machte ihn nach Zwettl und Stockerau zum dritthöchsten Turm in Niederösterreich. Für einen in Großweikersdorf tätigen Schulmeister gibt es seit 1543 Hinweise. Rechnungen über Ausbesserungen am Schulhaus belegen dessen Vorhandensein zumindest seit dem frühen 17. Jahrhundert. Der Brand 1727 legte auch das Schulhaus in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau fiel – laut Aussage eines Pfarrers – ziemlich bescheiden aus. 1802 wurde dann ein neues Gebäude hinter der Kirche errichtet. Die Finanzierung übernahmen Graf Breuner und die anderen in Weikersdorf begüterten Herrschaften; die Untertanen hatten bei den Bauarbeiten zu helfen. 1871 wurde der Bau erweitert.         

Schweickhardt in seiner „Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens“ (1835) beschrieb den Ort als einen Markt von 111 Häusern mit 171 Familien. Der Viehstand belief sich auf 72 Pferde, 173 Kühen, 179 Schafen und 80 Schweinen. Die Bauern betrieben Körner- und Weinbau sowie Viehzucht. Wein lieferten sie nach Wien. Schon zu dieser Zeit war Weikersdorf ein Hauptort des unteren Schmidatales. Das zeigt die hohe Zahl der im Ort vertretenen Gewerbebetriebe, insgesamt 35, darunter fünf Schneider, vier Schuhmacher und ein Handschuhmacher. Um die Gefahr der ständig drohenden Hochwässer einzudämmen, führte man 1841/2 die erste Regulierung der Schmida durch. Nach der Aufhebung der Grundherrschaft entstand 1849/50 die Gemeinde Weikersdorf, zu der bis 1891 auch Ameisthal und Baumgarten am Wagram gehörten. Am 23. Juni 1870 wurde der zweigleisige Abschnitt der Kaiser-Franz-Joseph-Bahn von Wien nach Eggenburg seiner Bestimmung übergeben. Der erste Zug, der die Strecke befuhr hielt auch in Weikersdorf. Ein neuer Bahnhof wurde 1897-1899 am heutigen Standort errichtet.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schloss sich 1921 Tiefenthal der Marktgemeinde Weikersdorf an. 1927/8 erfolgte der Bau der alten Hauptschule. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde 1941 die Großgemeinde Großweikersdorf in den Grenzen der heutigen Gemeinde geschaffen. Am 22. März 1945 wurde der in Großweikersdorf geborene Geistliche Heinrich Maier in Wien enthauptet. Er hatte mit Franz Josef Messner in Wien eine Widerstandgruppe gegründet, deren Arbeit im März 1944 aufgedeckt wurde. 1945 wurde die Großgemeinde wieder aufgelöst und die vor 1941 bestehenden Gemeinden wiederhergestellt. Ab den späten 60er Jahren begann dann wieder die Entwicklung zur Großgemeinde: 1967 gaben Ameisthal und Baumgarten am Wagram ihre Unabhängigkeit auf und schlossen sich Großweikersdorf an; 1970 folgten Groß- und Kleinwiesendorf, Ruppersthal und Tiefenthal.