Ortsgeschichte
Der Markt Gutenstein, Wahlheimat des Dichters Ferdinand Raimund, ist ein lang gezogener Straßenort im Tal der Piesting. Auf einem hoch aufragenden Felssporn stehen die weithin sichtbaren Ruinen der Burg, die um 1200 erbaut wurde (1. Nennung 1220). Gutenstein war zu dieser Zeit im Besitz der Babenberger und Zentrum einer kleinen babenbergischen Herrschaft. Der letzte Babenbergerherzog Friedrich II. (1230-1246) ließ die Burg ausbauen und - so zeitgenössische Quellen - uneinnehmbar befestigen. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert habsburgisch, war die Burg im Spätmittelalter immer wieder Aufenthaltsort der Landesfürsten. Bevorzugt hielt sich im frühen 14. Jahrhundert hier König Friedrich der Schöne auf. Er verlieh dem am Fuß des Burgbergs entstandenen Ort 1321 das Marktrecht und wählte die Burg zu seinem letzten Refugium. Bald nach der Beilegung der jahrelangen Thronstreitigkeiten mit Ludwig dem Bayern (1325) zog er sich aus der Politik nach Gutenstein zurück, wo er wenige Jahre später 1330 starb.
Im Spätmittelalter wurde Gutenstein infolge der Aufteilung der habsurgischen Länder 1379 (Neuberger Vertrag) zum Streitobjekt zwischen den habsburgischen Linien. Der zehn Jahre dauernde Streit zwischen Albrecht V. (albertinische Linie) und Ernst dem Eisernen (steirische Linie) wurde erst 1417 durch König Sigismund zugunsten Albrechts V., der in Österreich ob und unter der Enns regierte, entschieden. Dessen Sohn Ladislaus Postumus musste sich allerdings vier Jahrzehnte später erneut den Besitz gegen Friedrich III. – Sohn Ernst des Eisernen, seit 1440 römischer König, 1452 Kaiser – durch eine Belagerung erkämpfen (1457). Mehrmals wurden in der Burg hochrangige Persönlichkeiten festgehalten, so 1430 Otto von Maissau und 1457 einige Wochen der junge Matthias Corvinus, später König von Ungarn. Er ließ dreißig Jahre später im Zuge der Eroberung Niederösterreichs 1487 die Burg besetzen (bis 1490).
Im 16. Jahrhundert erlebte die Herrschaft durch die Gründung von Hammerschmieden, Sägewerken und eine Hofmühle einen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie war an die Familien Petschach und dann Herberstein verpfändet und wurde 1595 an Gomez Freiherr von Hoyos verkauft. Die aus Spanien stammenden Hoyos waren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter Ferdinand I. nach Österreich gekommen (1628 Grafen). Ab etwa 1600 erfolgte der Wiederaufbau der schon stark beschädigten Burganlage, der an die 30 Jahre dauern sollte. Die erhaltenen Ruinen - die Burg verfiel im 19. Jahrhundert - gehen weitgehend auf diesen Umbau zurück. Das im Tal liegende Schloss (Schloss Hoyos) inmitten eines englischen Gartens wurde in mehreren Bauphasen zwischen 1670 und 1817 errichtet. Seine endgültige Gestalt im klassizistischen Stil erhielt es 1909/10 durch den Ringstraßen-Architekten Julius Deininger. Die Familie Hoyos blieb bis 1848 in Besitz von Burg und Herrschaft Gutenstein, die Burgruine und das Schloss sind bis heute in ihrem Privatbesitz. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Gutenstein eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde mit 1. Februar 1962 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Wiener Neustadt zugewiesen.
Zentrum des Ortes an der Hauptstraße war jahrhundertelang die 1220 erstmals genannte Pfarrkirche (hl. Johannes der Täufer). Von der romanischen Kirche des 13. Jahrhunderts, deren Größe etwa dem heutigen Hauptschiff entsprach, haben sich nur Mauerreste erhalten. 1487 wurde die Kirche um einen spätgotischen Chor erweitert. Ihre heutige Gestalt erhielt sie durch einen barocken Umbau des Langhauses Ende des 17. Jahrhunderts (1679/80) sowie neogotische Umbauten im 19. und 20. Jahrhundert (1857/58, 1907).
Große Bedeutung für den Ort hatte die Marienwallfahrt, die sich im 17. Jahrhundert zum Mariahilfberg südwestlich des Marktes (Buchschachen) entwickelte. Nach der Gründungslegende hatte der Marktrichter Sebastian Schlager 1661 ein Gnadenbild (Kopie von Mariazell) an einer Buche angebracht, das sich als wundertätig erwies. Zunächst baute man eine kleine Kapelle, die aber bereits 1668 durch eine Kirche ersetzt wurde. Zur Betreuung der Wallfahrt stiftete Johann Balthasar II. Graf von Hoyos das noch heute bestehende Servitenkloster (Bau 1679-1685), dem auch die Pfarre inkorporiert wurde (bis 2000). Nach einem Großbrand 1708 erfolgte der ebenfalls von den Hoyos gestiftete Neubau einer wesentlich größeren Wallfahrtskirche (Weihe 1727). Um Kirche und Kloster entstanden Gasthöfe, Devotionalienstände sowie - im weiteren Umfeld - zahlreiche Andachtsstätten, insbesondere entlang des auf den Berg führenden „Wurzelwegs", den Gräfin Maria Magdalena von Hoyos anlegen ließ (1724-1726).
Neben den Pilgern waren es im 19. Jahrhundert vor allem die Dichter und Maler des Biedermeier, die sich gerne in Gutenstein aufhielten, darunter Franz Grillparzer, Eduard Bauernfeld, Nikolaus Lenau, Rudolf von Alt, Thomas Ender, Jakob Gauermann, vor allem aber Ferdinand Raimund. Er ließ sich in Gutenstein nieder („Raimundvilla" zwischen Pernitz und Gutenstein) und verewigte seine Wahlheimat auch in seinen Werken (Gedicht „An Gutenstein", 1827). Seinem Wunsch entsprechend wurde er 1836 hier begraben. An ihn erinnern die Raimund-Gedenkstätte (Hauptstraße 21) und die Raimundspiele (www.raimundspiele.at).
Durch die Erschließung des Piestingtals durch Straße (1808/09) und Bahn (1877) kam es im 19. Jahrhundert zu einer fortschreitenden Industrialisierung, wobei neben den Hammerwerken vor allem die in der Gegend traditonelle Holzverarbeitung von Bedeutung war. Um 1900 entwickelte sich Gutenstein zu einer beliebten Sommerfrische, woran die im historistischen Stil errichteten Villen erinnern (z. B. Villa Trebesiner, Villa Ladewig, Villa Sommeruga).
Infolge der Weltkriege verlor der Markt im 20. Jahrhundert seine Bedeutung als Fremdenverkehrsort. 1945 war das Gebiet zwar Teil der Front, wurde aber relativ wenig beschädigt. In der Folgezeit gelang es der Gemeinde, sich durch das Angebot von Natur und Kultur wieder als Fremdenverkehrsort zu positionieren. 1965 wurde das Waldbauernmuseum in der ehemaligen Hofmühle eröffnet (Österreichischen Museumspreis 1989), 1983 folgte die Eröffnung der Raimund-Gedenkstätte, 1993 die erste Produktion der Raimundspiele und seit 1995 sind die Meisterklassen (früher Cartusiana) im Servitenkloster untergebracht (www.meisterklassen-gutenstein.at). Wegen der außergewöhnlichen Luftqualität ist Gutenstein neben Baden und Gars am Kamp der dritte Luftkurort Niederösterreichs. Zu den wirtschaftlich bedeutendsten Betrieben der Gegend gehört der Getränkeerzeuger „Klosterquell", der die bekannten Dreh- und Drink-Limonaden produziert.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 1996 verlieh die Niederösterreichische Landesregierung der Marktgemeinde ein Wappen: In Blau zwei silberne Felsen, auf dem rechten niedrigeren eine silberne Kirche mit drei Fenstern, rechts aufgesetztem Turm und roten Dächern, auf dem linken überhängenden eine zinnenbekrönte, rot gedeckte silberne Burg mit offenem Tor, fünf darüberliegenden Fenstern und links angebautem zinnenbekröntem Bergfried mit rotem Spitzdach, über den Gebäuden vier nach links fliegende silberne Tauben. Die vom Gemeinderat festgesetzten Gemeindefarben Blau-Weiß-Rot wurden genehmigt.