Ortsgeschichte
Die als „Weinviertler Rotweinmetropole" bekannte Marktgemeinde ist Mittelpunkt des Pulkautals und umfasst die Orte Haugsdorf, Auggenthal, Jetzelsdorf und das direkt an der tschechischen Grenze liegende Kleinhaugsdorf (Grenzübergang). Die Gegend hat eine bis in die Urgeschichte zurückreichende Siedlungstradition, wie neolithische und bronzezeitliche Funde belegen. Die Anfänge von Haugsdorf reichen in das 12. Jahrhundert zurück. 2008 feiert der Ort sein 900-jähriges Jubiläum der ersten urkundlichen Nennung im Jahr 1108. Er entstand aus einem Straßendorf mit Marktplatz (Hauptplatz) und der vermutlich nördlich davon liegenden ehemaligen Wasserburg.
Mit dem um 1200 genannten Gerung von Hugesdorf gibt es einen ersten Hinweis auf eine örtliche Adelsfamilie. Die Haugsdorfer sind bis in das 14. Jahrhundert nachweisbar, ab 1357 waren die Maidburg-Hardegger Inhaber der Herrschaft, denen ab dem späten 15. Jahrhundert die Landesfürsten folgten. Durch die Belehnungen der Folgezeit – u.a. an so bedeutende Adelsgeschlechter wie die Eitzinger, Kuenringer, Seefeld-Hardegg und Streun von Schwarzenau – erfolgte eine Zersplitterung der Herrschaft, sodass im Laufe des 16. Jahrhunderts zwei Herrschaften in Haugsdorf entstanden. Neben „Feste und Gut" bestand auch das Gut der Familie Waller. Während die Burg im 17. Jahrhundert verödete und zur Ruine verfiel, wie der Stich von Georg Matthäus Vischer von 1672 zeigt, folgten im „Gut Haugsdorf" die Freiherren von Kirchberg, die bis in das 19. Jahrhundert in Haugsdorf präsent blieben.
Die mittelalterliche Burg ist abgekommen und wird nördlich des heutigen Hauptplatzes rekonstruiert (Dehio). Nach dem Vischer-Stich war sie offenbar eine von Wassergräben umgebene, rechteckige Anlage mit runden Ecktürmen. Das sog. „Schloss Haugsdorf" (Laaer Straße Nr. 10) ist der ehemalige Kirchbergische Meierhof, der im Kern auf das 16./17. Jahrhundert zurückgeht, um 1800 verändert wurde und später als Rathaus genutzt wurde (heute Hotel). Der alte herrschaftliche Schüttkasten erhielt seine barocke Gestalt 1726/28 und wird nach einer Restaurierung durch die Gemeinde als Dorf- und Kulturzentrum genutzt.
An die mittelalterliche Vergangenheit des Dorfes erinnert noch die Pfarrkirche Peter und Paul. Seit 1319 war sie selbstständige Pfarre und dem Stift Melk inkorporiert. Der gotische Bau des 14. Jahrhunderts wurde im 15. Jahrhundert zu einer spätgotischen Hallenkirche mit Netzrippengewölbe umgebaut. Der um eine Stufe erhöhte Chor mit Kreuzrippengewölbe stammt aus der Zeit um 1400, mittelalterlich ist auch die gotische Madonna (Maria mit Kind auf der Mondsichel, Ende 15. Jh.). Die wertvolle Innenausstattung mit reichem Schnitzwerk stammt großteils aus der Barockzeit.
Die zweite Pfarre im Gemeindegebiet ist seit 1784 Jetzelsdorf. Nachdem die alte Pfarrkirche in der Ortsmitte ruinös geworden war (heute Filialkirche), wurde 1975/76 von Hans Hoffmann im Osten des Ortes eine moderne Kirche errichtet – ein quadratischer Sichtbetonbau mit Pyramidendach und offenem Dachstuhl –, deren Einrichtung zum Teil aus der alten Kirche stammt.
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich Haugsdorf zu einem regionalen Zentrum des Pulkautals. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts besaß der Weinhauerort das Marktrecht, 1584 wurde ihm von Kaiser Rudolf II. ein Jahrmarkt verliehen, 1850 wurde Haugsdorf Sitz eines Bezirksamts. Durch seine grenznahe Lage erlitt der Ort allerdings immer wieder im Zuge der zahlreichen Kriege schwere Schäden durch Plünderungen, Brandschatzungen, Besetzungen oder Einquartierungen, so u.a. im 15. Jahrhundert durch Hussiten, Ungarn und in den innerösterreichischen Fehden, im 17. Jahrhundert durch die Schweden, im 18. und 19. Jahrhundert durch Franzosen und Preußen. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Haugsdorf eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde mit 1. Jänner 1992 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Hollabrunn zugewiesen.
Eine Folge des Krieges gegen Preußen 1866 war der Ausbruch der Cholera, der im Bezirk Haugsdorf an die 800 Opfer forderte und Anlass eines Besuchs Kaiser Franz Josephs I. am 9. Oktober 1866 war, der die Bevölkerung mit 2000 Gulden unterstützte. Die letzte Besatzungsmacht in Haugsdorf war die Russische Armee, nach deren Abzug die Gemeinde jahrzehntelang gleichsam „am Rande" der westlichen Welt lebte, völlig abgeschnitten von den tschechischen Nachbargemeinden. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wurde die Gemeinde durch den Grenzübergang in Kleinhaugsdorf und das dort entstandene Einkaufszentrum „Excalibur City" sehr bekannt, gleichzeitig ist sie seither vom Transitverkehr besonders stark betroffen.
Im Mittelpunkt der etwa 1700 Einwohner zählenden Gemeinde (+ ca. 300 Zweitwohnbesitzer) steht auch heute der Rotwein, etwa 70 Prozent der Weinanbauflächen sind Rotweingärten. Heurigenlokale, romantische Kellertriften, der jährlich im September stattfindene „Hüatagang" oder die Aktion "Offene Kellertür" vermitteln eindrucksvoll die jahrhundertealte Weinbautradition des Pulkautals.
Zu den prominentesten Haugsdorfern zählt der bekannte Künstler Franz von Zülow (1883-1963), der hier aufwuchs und seinem Heimatort immer eng verbunden blieb. Weniger bekannt ist, dass auch die berühmte Konditorei Zauner in Bad Ischl von einem gebürtigen Haugsdorfer, dem Zuckerbäcker Johann Zauner, 1832 gegründet wurde.