Hinterbrühl


Gemeinde Hinterbrühl

Ortsgeschichte

Die Marktgemeinde Hinterbrühl liegt westlich von Mödling, eingebettet in den Naturpark Föhrenberge. Die Marktgemeinde umfasst seit der Gemeindezusammenlegung von 1972 auch die Gemeinden Sparbach und Weißenbach.

Vor etwa 200 Millionen Jahren war die Landschaft um Hinterbrühl noch eine Ebene. Weiße Quarzsandsteine, rote und grüne Sandsteine und glimmerreicher Schiefer lagerten sich im Süden des Gaumannmüllerkogels an. Auch ein Gemenge an Ton, Steinsalz und Gips ist zu finden, das von 1840 bis 1912 abgebaut wurde. Auf dem Hinterbrühler Schwarzkogel und im Wassergspreng wurden urgeschichtliche Funde gemacht: Einzelfunde aus der Jungsteinzeit, größere Komplexe aus der Bronzezeit. Die Höhengegenden dürften daher bereits schon früh besiedelt gewesen sein. Die Aulandschaft entlang des Mödlingbaches blieb aber noch viele Jahrhunderte unbewohnt. Selbst die Römer drangen nicht in diese Gegend nicht vor.

Der Ortsname leitet sich von der Beschaffenheit der Landschaft ab: Im mittelalterliche Latein hieß sie brogilu oder broilus, im Niederdeutschen wurde daraus der brûhl (=die bewässerte Au, Sumpf), später erfolgte eine Artikeländerung in „die Brühl“. Die Brühl kam mit dem Land „zwischen der dürren Liesing und der Triesting“ entweder 1002 durch Kaiser Heinrich II. an den Babenberger Heinrich I. oder 1033 durch Kaiser Konrad II. mittels einer Schenkung von „20 Königshufen zwischen Kaumberg und der Liesing“ an das Bistum Eichstätt. Urkundlich taucht die Bezeichnung um 1182/85 mit Gerungus de Průle erstmals auf, der Ministeriale der Mödlinger Herren war, einer Nebenlinie der Babenberger. An den Rodungsarbeiten war auch das Kloster Heiligenkreuz beteiligt. Eine Kultivierung der Umgebung ging weiters von den Pfarren Alland, Gaaden, Sittendorf und Wildegg aus.

Bereits 1131 ließ Adelheit von Sparewarbespach (Sparbach) eine Kapelle auf ihrem Gut errichten, die ihrerseits von der Pfarre Alland aus betreut wurde. Bischof Wolfker von Passau löste sie aus der Mutterpfarre heraus und verlieh 1196 das Patronatsrecht der nun selbständigen Pfarre Sparbach an die Besitzer von Sparbach. Da sowohl Chunradus de pruhle als Zeuge der Amtshandlung als auch das Beneficium in Wizenbach (Weißenbach) in der Urkunde genannt sind, ist dieses Dokument das älteste, in dem alle drei Ortsteile der heutigen Gemeinde Hinterbrühl gemeinsam aufscheinen.

Für das Jahr 1216 werden zwei Weingärten in der Hinterbrühl erwähnt. Des Öfteren kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Grundherren, dem Stift Heiligenkreuz und dem Stift Melk, das bereits seit dem 12. Jahrhundert Weinzehente im Mödlinger Raum besaß. Auch die Familie Liechtenstein gehörte zu den Grundherrschaften in der Brühl; ihr waren zahlreiche Bauern zinspflichtig.

Im 16. und 17. Jahrhundert hatte die Region unten den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden: 1529 durch den ersten Einbruch der Osmanen, während des Dreißigjährigen Krieges durch Streifscharen protestantischer Heere. Nachdem 1623 Kaiser Ferdinand II. die Rückkehr zum Katholizismus angeordnet hatte, wurden die protestantische Prediger und Schulmeister entlassen und vertrieben. Erst 1703 lässt sich wieder ein Lehrer in der Brühl nachweisen. 1683 überrannten osmanische Streitscharen erneut das Gebiet und hinterließen eine Schneise der Vernichtung und Zerstörung. Zuwanderer, vor allem aus der Steiermark, besiedelten das entvölkerte Gebiet. Gegen Ende des Jahrhunderts errichtete die Bevölkerung eine kleine Holzkapelle und daneben einen hölzernen Glockenturm. Als diese 1724 durch ein Unwetter zerstört wurden, begann man mit dem Bau einer neuen Kirche, diesmal aus Stein, an anderer Stelle. Die 1735 fertig gestellte Kirche war den Heiligen Veit und Margaretha geweiht. Erst fünf Jahre später, am 5. Jänner 1740 konnte die erste Messe gefeiert werden; zuvor hatten die Geldmittel für die Dotation eines Geistlichen gefehlt. Durch die Pfarrreform unter Joseph II. wurde Hinterbrühl 1783 aus dem Mödlinger Pfarrverband herausgelöst und eigenständige Pfarre, der die beiden Filialen Vorderbrühl und Weißenbach angeschlossen wurden. 

Während der napoleonischen Kriegszüge kam es in den Jahren 1791 bis 1793 und 1803 zu Militäreinquartierungen im Ort. 1800 bezogen die Russen hier Quartier. Die Reparationszahlungen belasteten die Bevölkerung noch lange. Um 1807/08 erwarb Fürst Johann I. von und zu Liechtenstein die Herrschaft Liechtenstein/Mödling und Sparbach/Johannstein. Er gestaltete die ganze Gegend zu einem romantischen Naturpark aus. Sicher mit ein Grund für die Beliebtheit der Gegend im Biedermeier. Zahlreiche Künstler und Naturliebhaber entdeckten die Gegend in der Brühl als Refugium und erfreuten sich an der wildromantischen Landschaft und den „malerischen Anlagen“. Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Ferdinand Raimund und Johann Nestroy hielten sich hier ebenso gern auf wie Franz Grillparzer, Adalbert Stifter, Moritz Schwind und Ferdinand Georg Waldmüller. Weiteren wirtschaftlichen Aufschwung brachten Sandgewinnung, Kalkbrennen und Gipsproduktion, die bereits eine lange Tradition in der Brühl hatten. Der Gipsabbau wurde von 1840 bis 1912 betrieben. Der schwere Wassereinbruch 1912 setzte der Bergbautätigkeit ein Ende. Der mit 6200 m² größte unterirdische See Europas – die Seegrotte – entstand. 1932 erschloss der Landesverein für Höhlenkunde das alte Bergwerk durch das Anlegen von Wegen und der Einrichtung einer elektrischen Beleuchtung. Mit Motorbooten konnte der See befahren werden. Einen weiteren Erwerbszweig bildeten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert die Textilmanufakturen, u. a. die Bandfabrik C. Gruber.    

Fürst Johann I. von und zu Liechtenstein ließ 1831 die zu klein gewordene Kirche abtragen und veranlasste zum Dank für die Verschonung Österreichs vor der Cholera einen Neubau. Die Pläne für den spätklassizistischen Zentralbau lieferte Franz Honnegger. Die beiden barocken Seitenaltarblätter blieben erhalten und ebenso die 1754 von Maria Theresia gestiftete Glocke. 1834 wurde die Kirche dem Hl. Johannes d. Täufer geweiht. Nach der Aufhebung der Grundherrschaft fanden im Frühsommer 1850 erstmals Gemeindewahlen statt. Der erste Bürgermeister wurde der ehemalige Dorfrichter Franz Xaver Grutsch. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Brühl als Naherholungsort und Sommerfrische von den Wienerinnen und Wiener entdeckt. Villen, Landhäuser und Kleinvillen entstanden. Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhundert hatte sich die Häuserzahl im Ort verdoppelt. 1865 wurde die Waldbauernschule eröffnet, deren Ziel eine umfassende Ausbildung von Forstarbeitern war. Förderlich für den Fremdenverkehr wurde der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz: Am 22. Oktober 1883 befuhr der erste elektrisch betriebene Wagen die Strecke Mödling-Klausen. 1884 war die Strecke bis in die Vorderbrühl fertiggestellt. Am 13. Juli 1885 erfolgte die Eröffnung der Strecke bis in die Hinterbrühl. Ihr Betrieb wurde am 31. März 1932 eingestellt. Um die Jahrhundertwende begann der neugegründete Verschönerungs- und Geselligkeitsverein seine Tätigkeit. Er ließ Spazierwege anlegen und Rastbänke aufstellen. Im Jahre1907 errichtete er ein Wetterhäuschenmit Pendule-Uhrwerk, Lambrecht's Wettertelegraph bestehend aus Thermohygrometer und Barometer, großes Holosterik-Barometer, Barograph, Thermograph, Hygrograph, Minimum-Maximum-Thermometer, Normalthermometer und Quecksilberbarometer im 1882/83 angelegten Beethovenpark.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1938 wurde Hinterbrühl gemeinsam mit 96 anderen Gemeinden in „Groß-Wien“ eingegliedert und verlor seine Selbständigkeit. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Wasser der Seegrotte abgepumpt, das Bergwerk zum Luftschutzraum umfunktioniert und eine Flugzeugfabrik der Heinkelwerke eingerichtet. In dem unterirdischen Werk mussten 1700 KZ-Häftlinge an der Produktion von Flugzeugen Tag und Nacht arbeiten. Die Zwangsarbeiter kamen aus Mauthausen. Trotz zahlreicher gezielter Bombenabwürfe entstanden im Inneren des Bergwerks keine Schäden. In den letzten Kriegstagen 1945 wurde das Außenlager aufgelöst und insgesamt 1.884 Männer in einem tagelangen Fußmarsch nach Mauthausen gebracht. 51 Häftlinge wurden bereits vor dem Abmarsch getötet und in ein Massengrab geworfen. 204 überlebten den Marsch nicht.   

Erst 1954 erhielt die Gemeinde wieder ihre Selbständigkeit. 1957 wurde im Wienerwald das vierte österreichische SOS-Kinderdorf von Hermann Gmeiner errichtet. Die steigende Bevölkerungszahl ließ die alte Kirche zu klein werden. Ein neues Langhaus wurde ab 1959 nach Plänen von Erich Boltenstern errichtet. Am 2. Oktober 1960 weihte Kardinal Dr. Franz König das neue Gotteshaus. Am 15. Juni 1963 erfolgte die Markterhebung. Das verliehene Marktwappen zeigt in einem von Gold über Rot geteilten Schild im unteren Feld einen silbernen auf schwarzen Hölzern stehenden und von roten Flammen umzüngelten Kessel, aus dem in das obere Feld hineinragend eine jugendliche männliche nackte und weißgeschürzte Gestalt mit gekreuzten Armen und Nimbus wächst, begleitet von den schwarzen Buchstaben S und V. Das Wappen greift auf den früheren Kirchenpatron, den hl. Veit, zurück. 1972 erfolgte die Zusammenlegung der Gemeinden Hinterbrühl, Weißenbach und Sparbach.