Ortsgeschichte
Der am Beginn des Höllentals liegende Ort am Fuße der Rax ist eine Katastralgemeinde des Marktes Reichenau an der Rax. Hirschwang gehörte - ebenso wie der Kalkgebirgsstock der Rax - zur Herrschaft Reichenau, die seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts für etwa 450 Jahre im Besitz des Zisterzienserstiftes Neuberg war. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Siedlung an der Schwarza durch Ansiedlung von Eisenindustrie zu einem lang gezogenen Industrieort.
Der Bergbau hatte hier eine bis in die Urgeschichte zurückreichende Tradition (urzeitliche Kupfergewinnung im Bereich Thonberg, Eisenerzabbau seit dem Frühmittelalter) und wurde ab dem frühen 18. Jahrhundert intensiv betrieben. Auf der Grundlage eines Privilegs zum Eisenerzabbau (1699) begann das Stift Neuberg 1716 mit der Verhüttung, die ab den 1780er Jahren von der Innerberger Hauptgewerkschaft - seit 1784 auch im Besitz von Herrschaft und Schloss Reichenau - weitergeführt wurde. Um 1750 entstand in Hirschwang ein Hammerwerk, in den folgenden Jahrzehnten folgten Arbeiterwohnhäuser, weitere Hammerwerke sowie eine Trift auf der Schwarza. Durch die von den Brüdern Huebmer entwickelte Holzbringungstechnik durch das bis dahin nicht passierbare Höllental konnte nun auch das Holz im Raxgebiet für die Kohlenerzeugung genutzt werden. 1783 erfolgte der erste Holztransport auf der Schwarza nach Hirschwang.
Im 19. Jahrhundert wurden eine Gussstahlhütte (1845, heute Standort der Kartonagefabrik) sowie weitere, heute nicht mehr bestehende Betriebe errichtet (u.a. Kalkwerk, Steinbruch). Da der Bergbau zunehmend unergiebig wurde, erfolgte ab 1888 eine Umstruktierung der Produktion durch die Fa. Schoeller. Das Stahlwerk wurde nach Ternitz verlegt, Hammerwerke demoliert und das Hirschwanger Werk in eine Kartonfabrik (1893) umgewandelt, die sich zu den führenden Kartonfabriken der Monarchie entwickelte (1920 Verkauf, heute Fa. Mayr-Melnhof Karton GmbH). Bis heute wird der Ortscharakter von der sukzessive erweiterten Fabriksanlage am nordwestlichen Ortsrand und den ihr gegenüber errichteten Arbeiterwohnhäuser bestimmt. An die Bedeutung der Familie Schoeller erinnert die ehemalige, in neobarocken-klassizierenden Formen erbaute Villa Schoeller ("Herrenhof", 1905), das ehemalige Pförtnerhaus (um 1900) und die evangelische Henriettenkappelle, die 1902 im Auftrag des Werksdirektors Schoeller zum Andenken an Henriette Siedenburg-Schoeller von Oskar Laske errichtet wurde. Ab 1918 führte auch eine Bahnlinie von Payerbach nach Hirschwang, zunächst nur für Material und ab 1926 in Verbindung mit der Raxseilbahn auch für den Personenverkehr (Höllentalbahn, seit 1979 Museumsbahn).
Zwei der bedeutendsten technischen Projekte der Industrialisierung nahmen ihren Ausgangspunkt in bzw. bei Hirschwang: Die am 9. Juni 1926 eröffnete Seilbahn auf die Rax ist Österreichs älteste Personen-Seilschwebebahn und gilt als eines der bedeutendsten Tourismus-Projekte Niederösterreichs. Die 2,16 km lange Bahn überwindet eine Höhe von über 1 Kilometer (1018 m). Die dadurch erschlossene und von Wien aus leicht erreichbare Rax wurde zum Hausberg der Wiener. Ebenfalls zu den technischen Höchstleistungen der Zeit gehörte die 1873 fertig gestellte 1. Wiener Hochquellwasserleitung, die von der Ursprungsquelle in Kaiserbrunn nach Wien führt und bis heute Grundlage der Wasserversorgung Wiens ist.
Kaiserbrunn ist eine Häusergruppe im Höllental bei der Kaiserbrunnquelle nordwestlich von Hirschwang. Ihren Namen erhielt die Quelle - die stärkste am Ostalpenrand - von Kaiser Karl VI., der sie 1732 entdeckte und das Wasser von Wasserreitern nach Wien bringen ließ. Auf kaiserlichen Befehl musste das Stift Neuberg eine Straße von Hirschwang zur Quelle bauen (Höllentalstraße). Bereits in der Biedermeierzeit war Kaiserbrunn ein beliebtes Ausflugsziel und wurde eine Wallfahrtsstation nach Mariazell.
Im Zuge der achtjährigen Planungsphase der „Kaiser-Franz-Joseph-Hochquellenleitung" (1861 Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs, 1864 Baubeschluss, 1866 Baugenehmigung, 1869 Baubeginn) schenkte der Kaiser 1865 die Quelle der Gemeinde Wien (Vollzug 1868). Unter der Leitung von Eduard Suess wurde der Bau durch den Bauunternehmer Antonio Gabrielli (London) in nur vier Jahren fertig gestellt. Die 1873 mit Inbetriebnahme des Hochstrahlbrunnens in Wien (Schwarzenbergplatz) eröffnete Wasserleitung führte über Hirschwang durch das Schwarzatal nach Neunkirchen und am Westrand des Steinfelds entlang über Baden und Mödling bis Wien und besteht ab Hirschwang aus einem gemauerten Kanal (29 Stollen, Gewässer- und Talübergänge mit Aquädukten, Brücken). Aufgrund mangelnder Ergiebigkeit und zu geringer Speicherkapazität wurde die Wasserleitung in mehreren Phasen (bis 1910, bis 1945, ab 1945) immer wieder ausgebaut.