Lahnsattel


Gemeinde Sankt Aegyd am Neuwalde

Der Durchstich des Gscheidls

Am 23. September 1797 legte Georg Huebmer, Gedingmeister in Naßwald, Johann Philipp Graf von Hoyos ein Anbot zur Erschließung und Schlägerung des Neuwaldes sowie der Lieferung der Scheiter nach Neustadt zum Weitertransport über den Wiener Neustädter Kanal nach Wien vor. Huebmer verpflichtete sich zum Bau der Klausen und Triften sowie der notwendigen Verbindungen zum Transport der Hölzer. Im August 1805 wurde dann der Vertrag zwischen den Parteien tatsächlich abgeschlossen.

Die Verbindung zwischen Naßwald und Lahnsattel bildete das Gscheidl, die Bezeichnung für die Passhöhe, über die der Wallfahrerweg nach Mariazell führte. Als Grenze der Herrschaft Hohenberg wird das Gscheidl bereits im Banntaiding des Jahres 1572 erwähnt.

Ab 1808 begann man mit dem Schlägerungen westlich des Gscheidls. Auf dem Gscheidl entstand auch eine kleine Holzknechtsiedlung, in der Georg Huebmer jun. 1847 eine kleine Schule errichten ließ. Der Transport über das Gscheidl (1134 m) erwies sich als äußerst mühsam. Zunächst geschah dies durch einen Holzaufzug, zu dem das geschlägerte Holz mit Pferden, im Sommer über Kanäle und Wasserriesen gebracht wurde. 1822 entschloss sich Georg Huebmer sen. dazu, einen Tunnelbau durch das Gscheidl in Angriff zu nehmen. Der erste Stollen wurde 80 m unter der Passhöhe von beiden Seiten geschlagen. Sechs Bergknappen und sechs Holzknechte wurden für die Arbeit eingesetzt. Fünf Jahre später war es so weit: Am 8. März 1827 gelang der Durchschlag. Der Stollen besaß eine Höhe und lichte Breite von 3,80 m. Er war 277 Klafter (ca. 450 m) lang und wurde in der Folge auch gern von Wallfahrern genutzt. Er war damals der längste Tunnel in Österreich.

Nachdem der Durchstich gelungen war, legte Huebmer die nötigen Schwemm-und Staukanäle zum Stollen an. Die Gesamtlänge der Kanäle am Gescheidl betrug 9 km. Da die Kanäle nicht über das nötige Gefälle verfügten, wurde das Holz auf kleine Schiffe verladen, die von Pferden auf den begleitenden Dämmen gezogen wurden. Dann wurde es über einen durch Wasserkraft angetriebenen Holzaufzug (Länge: 228 m, Höhenunterschied 116 m) zum Stollen hinaufgezogen. Durch den Stollen beförderte eine Wasserriese die Scheiter vom Mürz- ins Preintal. Heute nützen die Forstaufschließungsstraßen die alten Anlagen.

Nach dem Tod Georg Huebmers 1833 trieb die Schwemmgesellschaft die Ausbeutung des Neuwaldes des Waldes am Gscheidl weiter voran. Um den kostspieligen Bringungsweg zu verbessern suchte die Gesellschaft bei Johann Ernst Graf Hoyos-Sprinzenstein um die Genehmigung an, einen neuen Durchstich auf Niveau des unteren Schiffkanals zu unternehmen. 1849 wurde mit den Arbeiten begonnen, 1852 war er vollendet. Die Arbeiten leitete der Lahnsattler Ignaz Laimer.

Der Verfall des Holzpreises in Wien, das nun von der Eisenbahn mit kostengünstiger Steinkohle versorgt wurde, sowie die Erhöhung der Benützungsgebühr für den Wiener Neustädter Kanals führten 1854 dazu, dass Graf Hoyos den Abstockungsvertrag mit der Schwemmgesellschaft kündigte. Die durch den Bau des zweiten Stollens hoch verschuldete Gesellschaft löste sich auf. Die Anlagen und die Holzfällersiedlung mit der Schule am Gscheidl verfielen. Graf Hoyos übertrug die Nutzung der Waldgebiete um Gippel und Göller dem k. k. Ärar, in dessen Dienst auch die Holzknechte vom Lahnsattel, dem Neuwald und dem Gscheidl traten.

Von den uralten Baumbeständen, die den Neuwald charakterisierten, blieb uns ein kleines Stückchen Urwald am Gscheidl erhalten. 1889 gab der Waldbesitzer Ernst Carl Graf Hoyos-Sprinzenstein den Auftrag, den letzten Rest des Neuwalder Urwaldes der Nachwelt zu erhalten. Ein Forstmann, der 1833 einen Bericht über den Neuwald verfasste, berichtete von den reichen Tannen, Fichten und Lärchen, die eine Länge von 160 bis 200 Fuß (48 bis 64 m) erreichten. Die untere Stammstärke betrug bis zu 8 Fuß (ca. 2,5 m). Die Bäume erreichten ein Alter bis zu 1000 Jahren. Heute stehen auf dem Gscheidl noch vier Gebäude, die im Besitz der Hoyos’schen Forstverwaltung sind.