Ortsgeschichte
Südwestlich der Bezirkshauptstadt Tulln liegt die Marktgemeinde Langenrohr. Ihr Gemeindegebiet besteht heute aus den Katastralgemeinden (Ortschaften) Asparn, Kronau, Langenrohr, Langenschönbichl und Neusiedl. Das Siedlungsgebiet von Langenrohr erstreckt sich am östlichen Ufer der Großen Tulln umschlossen.
Hochwassergefahr und Versumpfung dürften eine Besiedlung in urgeschichtlicher Zeit verhindert haben. Auch aus römischer Zeit sind kaum Spuren erhalten. Der erste Siedlungsnachweis stammt aus dem 10. Jahrhundert: Bei Langenschönbichl wurde 1905 ein slawisches Gräberfeld ergraben. Älteren Datums ist die erste Nennung der Großen Tulln: 884 findet der flumen Tullinam in den Annalen von Fulda als Grenzfluss zwischen Bayern und Slawen Erwähnung. Erstnennungen der Orte datieren in das 13. Jahrhundert: Asparn 1230, Kronau und Neusiedl 1280, Langenschönbichl 1289, Langenrohr als Ror 1302 bzw. 1322. Es handelt sich in den meisten Fällen um Nennungen im Zusammenhang mit fälligen Abgaben oder Grundkäufen. In der Urkunde mit der Erstnennung von Neusiedl taucht auch erstmals die Bezeichnung Tullnerfeld auf: quod Tullnerveld vulgariter nuncupatur (das gemeinhin Tullnerfeld genannt wird).
Vom 14. Jänner 1348 datiert eine Urkunde des Bischofs Gottfried von Passau, mit der er eine ewige Frühmessstiftung der Pfarrleute von Roer bestätigte. Ein Gesellpriester der Pfarre sollte in Hinkunft zu den bereits in der Filialkirche Roer gehaltenen Messen wöchentlich drei weitere feiern. Das Präsentationsrecht besaß weiterhin der Pfarrer von Tulln. Ab 1469 dürfte es in Langenrohr einen eigenen Kaplan mit einer ehrbaren Behausung gegeben haben; zumindest verfügte dies Bischof Ulrich von Passau. Seit etwa 1560 waren auch protestantische Prediger im Tullnerfeld tätig, so etwa Markus Volmar in Langenschönbichl. In das Jahr 1561 fällt die älteste erhaltene Erwähnung eines Schulhauses in Rohr.
Das Bereitungsbuch von 1590/91 – angelegt zur Erfassung der Grundherrschaften – führt 158 Häuser auf dem Gemeindegebiet an, 53 davon in Rohrr. Der größte Grundherr war Helmhardt Jörger von Tollet zu Judenau. In Neusiedl war das Tullner Bürgerspital der alleinige Grundherr, in Krainau das Kaiserliche Frauenstift in Tulln. Das schwere Erdbeben am 15. September 1590, dessen Epizentrum in Ried am Riederberg lag, und das laut zeitgenössischen Berichten schwere Schäden in Gemeinden des Tullnerfeldes und des Wienerwaldes sowie in Wien anrichtete, beschädigte auch die alte Kirche in Langenrohr schwer. Während des zweiten Ansturms der Osmanen durchzogen tartarische Streifscharen das Tullnerfeld und verwüsteten die Dörfer, so auch Langenrohr. Im selben Jahr gelobten die Langenrohrer Pfarrleut zur Abwendung der pestilenzischen Seiche eine jährliche Wallfahrt zur Mutter der Barmherzigkeit in Maria-Anzbach.
Herzogin Maria Theresia von Liechtenstein-Savoyen-Carignan, die 1737 in den Besitz der Herrschaft Judenau gekommen war, finanzierte ab 1738 den Bau einer neuen Kirche, die wie ihr Vorgängerbau dem heiligen Nikolaus geweiht war – ein einheitlicher spätbarocker Bau mit einem mächtigen Westturm, der im Kern noch mittelalterlich ist. Im Turm hängt noch eine Glocke aus dem Jahr 1696, ein Werk des Kremser Glockengießers Mathias Prininger. Die Ausstattung mit Altären und Kanzel entstand zwischen 1755 und 1763. Die Fresken in den Platzlgewölben des Langhauses sind ein Werk des Wiener Malers Hans Alexander Brunner aus dem Jahr 1954. Durch die josefinische Pfarrregulierung wurde Langenrohr 1783 zur selbstständigen Pfarre. Das Präsentationsrecht – das Recht auf die Nominierung eines neuen Pfarrers – verblieb allerdings bis 1939 bei der Pfarre Tulln.
Zu Zeiten Schweickhardts verfügte der Ort Rohr über 69 Häuser, in denen 223 männliche, 210 weibliche und 80 schulfähige Kinder lebten. Der Viehstand belief sich auf 114 Pferden, 1 Stier, 161 Kühen, 149 Schafen, 15 Ziegen und 190 Schweinen. Auf den Feldern wuchs Weizen, Korn, Gerste, Wickengerste (= Mischfruchtanbau von Getreiden mit Leguminosen) und Hafer. Erwähnenswert war Schweickhardt auch der bekannte Krautbau, der heimisch und sehr gedeihlich sei, mit welchem ein guter Handel nach der Residenzstadt Wien getrieben wird. Im Ort waren ein Schuster, ein Schneider, ein Wagner, ein Schmied und ein Gastwirt ansässig. Der Wundarzt lebte in Langenschönbichl. Die Belieferung des Wiener Marktes mit hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten – neben Milch- und Fleischprodukten und dem bereits genannten Langenrohrer bzw. Tullnerfelder Kraut, war es auch das Langenrohrer Heu, das von der k. u. k. Armee als Pferdefutter gekauft wurde – ermöglichte eine Verbesserung der Verkehrsanbindung: 1826 wurde die Straßenverbindung Tulln-Langenrohr-Judenau ausgebaut. Tulln wurde durch den Bau der Kaiser Franz Josephs Bahn (1870), Judenau durch die Errichtung der Bahnstrecke Tulln-St. Pölten (1891) in das Bahnnetz eingebunden.
Mit Joseph Reither, der 1931–1934, 1935–1938 und 1945–1950 Landeshauptmann von Niederösterreich war, besaß Langenrohr in der Zwischenkriegszeit einen prominenten Förderer: Er war Mitbegründer der Milchgenossenschaft 1899, der Raiffeisenkasse 1907 und der Rinderzuchtgenossenschaft 1911. Von 1912–1925 war er als Bürgermeister tätig. Seinem Einsatz ist wohl auch die 1927 erfolgte Markterhebung zu verdanken.
Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich 1938 wurde nördlich von Asparn ein Lager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) errichtet, das später vom Bund Deutscher Mädel (BDM) genutzt wurde. In den letzten Kriegstagen wurden im Verlauf eines Artilleriegefechtes einige Häuser und der Kirchturm schwer beschädigt. Während des Jahrhunderthochwassers 1954 richteten die Fluten der Donau und der großen Tulln enorme Schäden an. Ab den 70er Jahren begann man mit dem notwendigen Ausbau der Infrastruktur und startete eine Ansiedlungs- und Wirtschaftsoffensive. Auf Langenrohrer Gemeindegebiet entstanden ab 1995 die Betriebsgebiete I und II, die rund 200 Arbeitsplätze bieten. Die Wohnbevölkerung nahm um rund 75% zu.
Mit Beschluss der NÖ Landesregierung vom 24. November 1981 wurde der Marktgemeinde Langenrohr ein Marktwappen verliehen: In einem gespaltenen Schild, vorne in Gold zwei gekreuzte grüne Ähren, die von einem gleichfarbigen aufrechten Rohrkolben durchzogen werden, rückwärts in Blau eine goldene Darstellung des heiligen Nikolaus mit seinen Attributen. Die Gemeindefarben Blau-Gelb-Grün wurden bestätigt. Am 13.10.2012 das Josef-Reither-Museum eröffnet.