Lanzenkirchen (Schloss Frohsdorf)


Gemeinde Lanzenkirchen

Ortsgeschichte

Die Marktgemeinde Lanzenkirchen liegt südlich von Wiener Neustadt an der Leitha und umfasst die Ortschaften Lanzenkirchen, Frohsdorf mit dem Schloss, Haderswörth, Kleinwolkersdorf und Ofenbach.

Die Anfänge von Lanzenkirchen reichen in das 12. Jahrhundert zurück. Um 1130 wird mit Wolfker von Lanzenkirchen der erste namentlich bekannte Vertreter der Ministerialen von Lanzenkirchen in den Quellen greifbar, die vermutlich Gefolgsleute der Pittener Linie der Grafen von Formbach waren. In dieser Zeit wurde auch die Burg errichtet, die bis Ende des 15. Jahrhunderts bestand, dann verfiel und abkam. Erst 1977 wurde ihr Standort am südlichen Ufer der Leitha entdeckt (heute Walpersbach, westl. von Schleinzerkreuz). In das 12. Jahrhundert datiert auch die erste Nennung der Pfarrkirche Lanzenkirchen (1146), deren romanischer Bau (Chorquadratkirche mit Krypta) aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts stammt. Ihre barocke Gestalt erhielt die Kirche nach schweren Erdbebenschäden um 1770/73, der Ostturm wurde 1883 errichtet. 

Die Feste Lanzenkirchen - eine Wasserburg mit Graben und Wall inmitten des Auwaldes - war bis in das 13. Jahrhundert Sitz der Familie der Lanzenkircher. Außer ihnen war auch das Stift Heiligenkreuz, die steirischen Grafen von Pfannberg, die Landesfürsten sowie die Klingenfurther begütert, die später auch im Besitz der Burg waren. Sie verkauften 1377 ihren aus landesfürstlichen Lehen bestehenden Besitzkomplex an Michel Prenner, Bürger von Wiener Neustadt; 1411 belehnte Herzog Ernst Hans und Margarethe Drösiedler mit dem Besitz. In der Folgezeit waren die landesfürstlichen Lehen auf mehrere Inhaber aufgeteilt, darunter ab 1438 Konrad Königsberger mit der Feste und dem zugehörigen Gut. Im 16. Jahrhundert setzte der langsame Verfall der Burg ein. Die in Lanzenkirchen begüterten Grundherren hatten ihre Sitze alle in der Umgebung. 1567 wurde der landesfürstliche Besitz an die Freiherren von Teufel auf Schloss Frohsdorf verpfändet, die über den Großteil der Häuser und die Dorfobrigkeit verfügten; ihnen folgten als Pfandinhaber im 17. Jahrhundert die Grafen Hoyos. Ab 1679 gehörte das Amt Lanzenkirchen zur kaiserlichen Hofkammer, dürfte allerdings aufgrund der Verschuldung und Verarmung infolge der durch die Osmanen verursachten Schäden und der Kuruzzeneinfälle wirtschaftlich nicht sehr ertragreich gewesen sein. 1747 wurde das Rentamt Wiener Neustadt mit dem Amt Lanzenkirchen dem Bischof von Wiener Neustadt überlassen.

Wirtschaftliches und politisches Zentrum im Bereich der heutigen Gemeinde war seit dem 16. Jahrhundert Schloss Frohsdorf, ein aus einem 1158 erstmals genannten Hof zu „Krottendorf" hervorgegangener Herrschaftssitz. Im 17. Jahrhundert wurde aus Krottendorf „Froschdorf", bis im 19. Jahrhundert der Name „Frohsdorf" amtlich eingeführt wurde. Der Hof war seit 1514 im Besitz der Familie Teufel und wurde nach der Zerstörung durch die Osmanen 1529 unter Christoph Teufel im Stil eines Schlosses neu errichtet (1547-1550). Unter den Grafen Hoyos, über Heirat Besitznachfolger der Teufel, erfolgte um 1660 ein erster barocker Ausbau mit einem erhaltenen Gartentheater, das als Theatergebäude und wegen der detaillierten Aufführungsbestimmungen aus dem Jahr 1681 kunsthistorisch und theatergeschichtlich von Bedeutung ist. Nach der erneuten Zerstörung durch die Osmanen 1683 wurde das Schloss Anfang des 18. Jahrhunderts unter Ernst Ludwig Hoyos durchgreifend barockisiert bzw. neu gestaltet (1706-1718). Ende des 18. Jahrhunderts erhielt der mächtige dreigeschoßige Bau eine klassizistische Fassade und einen Landschaftspark, der als wichtiges Zeugnis adeliger Gartenkultur gilt.

Im 19. Jahrhundert war Frohsdorf - gemeinsam mit den Schlössern Eichbüchl und Katzelsdorf - im Besitz hochrangiger französischer Prominenz, darunter ab 1817 Gräfin Karolina Lippona (Bonaparte), eine Schwester Kaiser Napoleons I. und ehemalige Königin von Neapel, und ab 1844 die Bourbonin Marie Thérèse Herzogin von Angoulême, eine Tochter Marie Antoinettes und Ludwigs XVI. und Enkelin Maria Theresias. Sie fand hier mit ihrem Hofstaat ihr letztes Exil. Das Schloss wurde zum Treffpunkt des europäischen Hochadels, darunter Erzherzogin Sophie mit den Söhnen Franz Joseph und Max, die Herzöge von Toskana, von Sachen-Coburg und die spanischen Bourbonen. Nach dem Tod der Herzogin 1851 übernahm ihr Neffe Graf Henri (Heinrich) von Chambord das Schloss, der als Enkel des französischen Königs Karl X. und letzter Erbe der älteren Bourbonenlinie in den Kreisen der Royalisten als rechtmäßiger Thronanwärter Frankreichs galt. Anfang der 1870er Jahre konkretisierten sich die Pläne zur Wiedererrichtung der Bourbonen-Herrschaft unter einem König Henri V. Im August 1873 kam es in Frohsdorf zu einem historischen Treffen mit dem Grafen von Paris, dem Thronanwärter der Orléanisten, der Henri als Oberhaupt der Bourbonen huldigte. Eine Rückkehr als König von Frankreich verhinderte schließlich Henris Weigerung, anstelle des Lilienbanners die französische Trikolore anzuerkennen und sich an eine Verfassung zu binden. Henri von Chambord blieb bis zu seinem Tod 1883 auf Schloss Frohsdorf.

Auf die Chambords geht auch das Frohsdorfer Schulzentrum Sancta Christiana zurück, das 1854 als Kloster des Schulschwesternordens der heiligen Christiana gegründet wurde mit dem Ziel, eine Mädchenschule zu errichten. Die Klosterschule mit Schülerinnen aus dem In- und Ausland wurde unter dem NS-Regime 1938 geschlossen, diente dann als öffentliche Schule und kurzzeitig auch als russisches Lazarett, bis die Schwestern von Sancta Christiana 1947 den Schulbetrieb wieder übernehmen konnten. 

Die Bourbonen blieben bis zum Zweiten Weltkrieg im Besitz des Schlosses, das 1941 an die Deutsche Reichspost verkauft und 1955 - völlig verwüstet - der Österreichischen Postverwaltung übergeben wurde, die es restaurieren ließ.

Bis 1848 hatte die Herrschaft Frohsdorf die Ortsobrigkeit über Haderswörth und Ofenbach. Danach erfolgte die Vereinigung mit dem Amt Lanzenkirchen, Kleinwolkersdorf und Eichbüchl (1888 abgetrennt) zur Gemeinde Lanzenkirchen. Am 2. Juni 1955 wurde die Gemeinde durch Landtagsbeschluss zum Markt erhoben.