Ortsgeschichte
Die Gegend um den Markt Lichtenwörth war schon in frühgeschichtlicher Zeit besiedelt, wie Funde aus der Jungsteinzeit und der Römerzeit belegen. Ab dem Mittelalter war Lichtenwörth jahrhundertelang Grenzort zu Ungarn (bis 1921). Erste Nennungen stammen möglicherweise schon aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Bei den in zwei Urkunden der Salzburger Erzbischöfe aus den Jahren 1163 und 1174 vorkommenden Orten Saikenwerde (1163) bzw. Lutunwerde (1174) könnte es sich um das spätere Lichtenwörth handeln. Die auf einer von der Fischa umflossenen Insel errichtete Wasserburg entstand vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts und wird 1254 erstmals erwähnt. Fast genau 500 Jahre später sollte an ihrer Stelle die "Nadelburg" entstehen.
Burg und Herrschaft waren in landesfürstlichem Besitz. Um 1300 war Lichtenwörth bereits eigene Pfarre. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erhielten die Puchheim die Herrschaft zu Lehen. Sie ließen im 15. Jahrhundert die dem hl. Jakobus dem Älteren geweihte Pfarrkirche bauen und statteten sie mit bedeutenden Grundschenkungen aus. Allerdings konnten nur Chor und Querschiff fertig gestellt werden.
Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich III. und den Ständen wurde Lichtenwörth 1452 schwer verwüstet und in der Folgezeit den Puchheim als landesfürstliches Lehen entzogen. Im Krieg gegen den ungarischen König Matthias Corvinus (1487-1490) wurde die Feste zerstört. Die Herrschaft kam 1493 an die Augustiner-Chorherren in Wiener Neustadt und in weiterer Folge an das 1469 gegründete Bistum Wiener Neustadt. Die Bischöfe ließen anstelle der Burgruine die „Winkelmühle" errichten und den bischöflichen Hofgarten anlegen. Seit dieser Zeit war Lichtenwörth Sommersitz der Bischöfe, mit Ausnahme der Jahre 1508 bis 1533, in denen die Herrschaft dem Ritterorden St. Georg gehörte. Die Bischöfe residierten im heute noch bestehenden Gasthaus zum hl. Florian.
Während der Türkenkriege und unter den Kuruzzen erlitt der Ort schwere Schäden. Er wurde mehrmals niedergebrannt und verwüstet. Durch die Ansiedlung von Industrie unter Maria Theresia erlebte die bis dahin dörfliche Struktur eine entscheidende Veränderung. Nach dem Verkauf der Winkelmühle an den Piestinger Fabrikanten Johann Christian Zug errichtete dieser mit staatlicher Unterstützung eine Nadel- und Drahtzugfabrik, die er 1751 an das Münz- und Bergwesen-Direktions-Hofkollegium verkaufte, womit sie Staatsbesitz wurde. Nach dem zusätzlichen Erwerb des bischöflichen Hofgartens war die Ausgestaltung einer Muster-Fabrikssiedlung, der ältesten Europas, möglich. Für die zum Teil aus Deutschland angeworbenen Facharbeiter wurden etwa 30 kleine gemauerte, schindelgedeckte Häuser innerhalb einer Umfassungsmauer errichtet. Jedes Haus bot Unterkunft für zwei Familien, die je zwei Zimmer und eine gemeinsame Küche beanspruchen konnten. Den Abschluss der Fabriksgasse bildete die von Hofbaumeister Nikolaus Pacassi erbaute zweitürmige Barockkirche mit ihrer ungewöhnlichen Kuppel, die 1756 der hl. Theresa geweiht wurde. Für das gesamte, vom restlichen Ort abgetrennte Areal - ein industriegeschichtliches Bauensemble von europäischem Rang - bürgerte sich der Name "Nadelburg" ein, die auch einen eigenen Schulmeister und einen Arzt erhielt. Etwa die Hälfte der Häuser und die Kirche stehen heute noch.
1769 wurde die Nadelburg privatisiert und gelangte nach mehrmaligem Besitzerwechsel schließlich 1816 an den Großhändler Anton Hainisch, der zusätzlich eine Baumwollspinnerei errichtete. Die Drahtziehereien wurden durch Walzwerke ersetzt. Die Familie Hainisch blieb bis zum Zweiten Weltkrieg im Besitz der Nadelburg. Die 1882 im ehemaligen bischöflichen Hofgarten errichtete Villa der Familie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Durch die Industrieansiedlung nahm der Ort bis ins 20. Jahrhundert einen steten Aufschwung. 1887 konnte die unvollendet gebliebene Pfarrkirche stilgemäß fertig gestellt werden.
1930 wurde das Nadelburger Metallwerk geschlossen, für den Ortsteil "Nadelburg" blieb es aber namengebend und wurde 1986 unter Denkmalschutz gestellt. In den leer stehenden Hallen siedelten sich kleinere Betriebe an, die aber alle zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als nicht kriegswichtig geschlossen wurden. 1944 wurde in Lichtenwörth ein Anhaltelager für ungarische Juden errichtet. Die menschenunwürdigen Zustände führten nach dessen Öffnung zu Kriegsende im Ort zu einer schweren Typhusepidemie.
In einem der Häuser der Nadelburg, dem von Franz Gehrer 1978 erworbenen „Winkelhaus", wurde ein Museum eingerichtet, das die Geschichte der Nadelburg zeigt (www.Nadelburgmuseum.at / info@nadelburgmuseum.at). Mit Bescheid vom 27. Juni 1978 verlieh die Niederösterreichische Landesregierung der Gemeinde ein Wappen: In einem schwarzen Schild ein goldener Reichsapfel mit roter Binde, der von zwei im Schildesfuß sich kreuzenden grünen Palmzweigen umfaßt wird und über den eine goldene fünfzackige Krone schwebt. Die vom Gemeinderat festgesetzten Gemeindefarben Schwarz-Gelb wurden genehmigt. 1992 wurde die Gemeinde Lichtenwörth schließlich vom niederösterreichischen Landtag zum Markt erhoben.