Mitterbach am Erlaufsee


Gemeinde Mitterbach am Erlaufsee

Ortsgeschichte

Am südöstlichen Fuß des Ötschers nahe der Landesgrenze zur Steiermark liegt die Gemeinde Mitterbach am Erlaufsee. Sie besteht heute aus den Katastralgemeinden Josefsrotte (mit den Siedlungen Eben, Erlaufklause, Friedenstein, Josefsberg und Stauseesiedlung) und Mitterbach-Seerotte (mit den Siedlungen Erlaufboden, Erlaufsee, Hagen, Hinterötscher, Hochmitterbach, Mitterbach, Seerotte und Unter der Alm).

Im ältesten erhaltenen Dienstbuch des Stiftes Lilienfeld aus dem Jahr 1537 finden sich bereits Eintragungen über die Besiedlung des Gebietes. Durch die Lage an der Via Sacra nach Mariazell wurde Josefsberg zu einer wichtigen Station für die Wallfahrer*innen. Für die Entwicklung von Mitterbach war die intensive Waldnutzung ab dem 18. Jahrhundert maßgeblich. Auslöser war der zunehmende Holzbedarf der Residenzstadt Wien, der nicht mehr gedeckt werden konnte. Maria Theresia forderte daher die Waldbesitzer auf, ihre Wälder für den Holzschlag zu öffnen. 1747 schloss daher auch das Stift Lilienfeld mit Franz Joseph Giegl aus Oberwölbling einen „Abstockungsvertrag“. Giegl sollte die Wälder des Stiftes an den Hängen des Ötscherbaches und  der Erlauf nach forstrechtlicher Vorschrift schlägern lassen. Jährlich musste er 20.000 Klafter (= 68.000 Kubikmeter) Brennholz nach Wien liefern. Zwei Jahre zuvor hatte er schon das Triftprivileg an der großen Erlauf erhalten.  

Holzknechte aus dem Salzkammergut wurden in das Ötschergebiet geholt. Im Sommer 1747 kamen die ersten 60. Sie waren zu Anfang in sog. Kasernen untergebracht. Das Stift Lilienfeld erlaubte Familien die Errichtung von sog. Luftkeuschen – Holzhäuser ohne eigenen Grund – und die Viehhaltung zur Selbstversorgung. Kleine Weilersiedlungen entstanden. Um 1775 waren hier schon an die 300 Arbeiter angesiedelt. Die 1775 in Mitterbach durchgeführte Josephinische Landaufnahme vermerkte für den Ort ein Wirtshaus, eine Glashütte, eine Hammerschmiede, eine Mühle und „Sag“ sowie mehrere kleine Häuser. Zur seelsorgerischen Betreuung der Zugezogenen wurde zunächst auf dem Josefsberg eine Kuratie gegründet (1757). Zwei Jahre später errichtete das Stift Lilienfeld eine zweite Kuratie: Sie ließen im „Hinter-Haagen-Haus“, das Giegl gehörte, zunächst eine hölzerne Kapelle anbauen. Giegl stiftete 500 Gulden für den Kirchenbau und 250 Gulden für das Pfarrhaus. Ein Brand vernichtete 1776 das Pfarrhaus und die Kirche. Das Stift ließ darauf sofort eine neue kleine Kirche errichten, ein schlichter Barockbau: St. Johann in der Wüste.

Die Holzknechte waren zwar mehrheitlich Protestanten, verhielten sich aber völlig unauffällig und nahmen mit ihren Familien an den Gottesdiensten teil. Sobald aber Kaiser Joseph II. das Toleranzpatent 1781 erließ, meldeten sich sofort 36 Familien mit 164 Personen und 11 Ledige als Protestanten. Die Holzknechte Johann Gamsjäger und Leopold Digruber erwirkten eine Audienz beim Kaiser in Wien. Dieser bewilligte in einer Hofresolution vom 27. Juli 1784 die Errichtung eines Bethauses. Zu Weihnachten 1785 wurde das Bethaus in Mitterbach geweiht. Der erste Pastor – Tobias Tiefenbrunner – kam aus Altdorf bei Nürnberg. 1786 wurde eine evangelische Volksschule eingerichtet. St. Johann in der Wüste wurde 1788 aus Mangel an Gläubigen durch das das Stift aufgehoben. Teile des Inventars erwarb die evangelische Gemeinde. Seit 1800 besaß Mitterbach einen Friedhof, auf dem fast alle Protestanten aus dem Ötschergebiet begraben wurden.  

Laut Schweickhardt in seiner „Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens" bestand Seerotte aus 37 Häusern. Die evangelische Gemeinde umfasste damals an die 800 Seelen. In Mitterbach befanden sich neben dem Bethaus, der Schule und dem Haus des Pastors eine Hammerschmiede, zwei Sägemühlen und ein Gasthaus an der Straße. An Handwerken waren nur ein Bäcker, ein Lederer und ein Schneider vertreten. Die Waldbauern lebten von Viehzucht, Holz- und Waldwirtschaft sowie Kohlenbrennerei. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts streiften durch die Wälder noch Luchse, Bären und Wölfe. Die Bauern betrieben das „Branden“. 1846/47 entstand ein neuer Bau für die evangelische Volksschule. In die Empore der evangelischen Kirche baute 1854 Theodor Goblitz eine Orgel ein. Sie ist heute die einzige ohne Veränderungen erhaltene Orgel dieses bekannten Wiener Orgelbauers. 1898 entstand als öffentliche Volksschule die Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsschule.

Im Jahr 1904 konstituierte sich die selbständige Gemeinde Mitterbach, bestehend aus den Katastralgemeinden Josefsrotte und Mitterbach-Seerotte, die aus der Ortsgemeinde Annaberg ausgeschieden wurden. Der Fertigstellung der „Alpenbahn“ von St. Pölten über Mariazell nach Gußwerk 1907 brachte den Fremdenverkehr in die Region. Noch vor der Inbetreibnahme plante Baudirektor Eduard Engelmann, auch bekannt als Besitzer eines Eislaufplatzes in Wien-Hernals, bereits die Elektrifizierung der Bahnstrecke. Den dafür nötigen Strom  sollten zwei Kraftwerke – Erlaufklause und Wienerbruck – erzeugen. Am 7. Oktober 1907 genehmigte der NÖ Landtag das Projekt. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren die Stauseen auf Mitterbacher und Annaberger Gebiet sowie das Kraftwerk Wienerbruck vollendet. Das Kraftwerk Erlaufboden wurde erst 1922-1925 errichtet. Im Beisein Kaiser Franz Josephs erfolgte am 7. Oktober 1911 die Eröffnung des elektrischen Betriebes.

Für die katholische Bevölkerung hatte man 1875 eine Kapelle „Zur heiligen Familie“ errichtet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstituierte sich ein Kirchenbauverein. Am 12. Juni 1914 konnte mit dem Bau der Kirche begonnen werden. Die nach Plänen des Wiener Architekten Hubert Gangl in spätromantisch-expressionistischen Formen errichtete Kirche wurde am 8. August 1915 geweiht. Ihr Patron ist Clemens Maria Hofbauer, der auf seinen Wallfahrten nach Mariazell immer wieder durch Mitterbach gekommen war. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die evangelische Volksschule zwangsweise geschlossen. 1940 wurden in einem Lager evangelische Umsiedler aus Bessarabien untergebracht. Mitterbach wurde 1944 Pfarrexpositur. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein katholischer Friedhof angelegt. Erst 1968 wurde der Turm der Kirche fertiggestellt.

Mit Bescheid vom 3. März 1992 verlieh die NÖ Landesregierung der Gemeinde ein Wappen: In einem von Blau und Grün durch einen silbernen Wellenbalken erniedrigt geteilten Schild oben ein goldener Adler. Die eingereichten Gemeindefarben Blau-Gelb-Grün wurden genehmigt.