Ortsgeschichte
Die Marktgemeinde Perchtoldsdorf (auch „Petersdorf" genannt) im Süden Wiens ist ein bekannter Weinort mit einer bis in die Urgeschichte zurückreichenden Siedlungstradition (Funde aus der Jungsteinzeit, Römerzeit). Über die Anfänge des Ortes im Mittelalter ist nichts bekannt, möglicherweise entstand die Siedlung bereits in der Zeit um 1000 in Verbindung mit der Errichtung einer Burg zur Grenzsicherung. In den schriftlichen Quellen taucht Perchtoldsdorf erst im 12. Jahrhundert auf: Um 1140 wird im Klosterneuburger Traditionsbuch ein Heinrich von Ptoldesdorf als Zeuge genannt. Die sich nach ihrem Sitz nennenden Perchtoldsdorfer waren ein bedeutendes babenbergisches Ministerialengeschlecht. Unter ihnen erfolgte der Ausbau der Burg (bis ca. 1170/80) sowie des Ortes (um 1250) durch die Anlage eines rechteckigen Marktplatzes und die Errichtung einer Marktbefestigung mit mehreren Toren. 1217 wurde die Burgkapelle auf Veranlassung Ottos I. von Perchtoldsdorf zur Pfarre erhoben. Dessen Konflikte mit Herzog Friedrich II. führte allerdings 1236 zur Brechung der Burg, wobei Teile der Gebäude bis auf die Grundmauern abgetragen wurden. Die danach wieder errichtete Burg wurde möglicherweise im Zuge der Adelsaufstände gegen Albrecht I. Ende des 13. Jahrhunderts erneut gebrochen.
Nach dem Aussterben der Herren von Perchtoldsdorf um 1300 wurde die Herrschaft landesfürstlich. Durch die Förderung der Habsburger erlebte der Markt (1. Marktnennung 1308) im Spätmittelalter seine Blütezeit und entwickelte sich zu einer Kommune mit fast städtischem Charakter, in der Weinbau, Handel und Handwerk florierten. Bis in das 15. Jahrhundert gab es auch eine jüdische Gemeinde (Vertreibung 1420). Als einer der vier landesfürstlichen „Bannmärkte" war Perchtoldsdorf – neben Mödling, Gumpoldskirchen und Langenlois - sogar im Landtag vertreten.
Die ab etwa 1330 unter Herzog Albrecht ausgebaute Burg diente auch als habsburgischer Witwensitz. So verbrachte Beatrix von Zollern (verst. 1414), die Witwe Herzog Albrechts III. fast 20 Jahre in Perchtoldsdorf, das sie sehr förderte. Sie stiftete um 1400 das Bürgerspital und erwirkte die für die wirtschaftliche Entwicklung so bedeutsamen zwei Jahrmarktprivilegien. In dieser Zeit expandierte der wirtschaftlich potente Weinmarkt über die Befestigung hinaus und es entstanden außerhalb die Ortsteile Neustift und Brunnerort (heute Neustiftgasse bzw. Brunner Gasse).
Als eine der höchst dotierten landesfürstlichen Pfarren in der Umgebung Wiens wurde Perchtoldsdorf häufig an hoch gestellte Geistliche vergeben. Der bedeutendste Pfarrer war Thomas Ebendorfer (1435-1464), mehrmaliger Rektor der Universität Wien und einer der großen Theologen, Historiker und Diplomaten des 15. Jahrhunderts. Unter ihm erhielt die bereits im 14. Jahrhundert begonnene Pfarrkirche ihre endgültige Gestalt. Ab den 1330er Jahren war nach dem Vorbild von St. Stephan in Wien ein gotischer Chorneubau errichtet worden (Weihe 1362); nun folgte ein spätgotisches, wesentlich höheres Hallenlanghaus (Weihe 1449). Die Kirche bildet das Zentrum der das Ortsbild beherrschenden Burg-Kirchen-Anlage mit dem freistehenden Wehrturm, dem größten Österreichs. Der mächtige Turm wurde im Zuge des Ausbaus der Befestigungsanlagen ab 1450 bis 1521 errichtet und zum markanten Wahrzeichen von Perchtoldsdorf.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde der Markt mehrmals verwüstet (Ungarn, mährische Söldner, Türken 1529), doch bot die von einer Ringmauer umgebene Kirchenfestung der Bevölkerung ausreichenden Schutz. Im Jahr 1683 kam es aber zu einer Katastrophe: Perchtoldsdorf kapitulierte vor den Türken, die – entgegen dem Versprechen, die Bevölkerung zu schonen – ein Blutbad anrichteten. 400 bis 500 Menschen wurden ermordet, die Kirche niedergebrannt und der Ort schwer beschädigt und ausgeplündert. Die zerstörte Burg ist seither Ruine. Der Wiederaufbau des – im Gegensatz zur Blütezeit des Mittelalters – im 17. Jahrhundert wirtschaftlich schwachen Marktes nahm Jahre in Anspruch. An die wenige Jahrzehnte später grassierende Pest von 1713 erinnert die Pestsäule auf dem Marktplatz.
Durch den Abriss der mittelalterlichen Befestigung unter Kaiser Joseph II. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Ortsbild stark verändert. Auch die Leonhardikapelle am Leonhardiberg, eine Wallfahrtskirche, wurde damals abgetragen. Von den um 1800 gegründeten Industriebetrieben hatte nur die Baumwollmanufaktur im Knappenhof größere Bedeutung, dominierender Wirtschaftszweig blieb auch im 19. Jahrhundert der Weinbau. Ab etwa 1850 entwickelte sich Perchtoldsdorf zur Sommerfrische im Nahbereich Wiens, gefördert durch die verbesserte Verkehrsanbindung (Kaltenleutgebenerbahn, Dampftramway). Durch die sukzessive Verbauung in allen Richtungen entstand das den Marktort schließlich annähernd ringförmig umgebende Cottage-Viertel mit Villen, Land- und Einfamilienhäusern. 1938 wurde Perchtoldsdorf durch Eingemeindung ein Teil von Groß-Wien. Seit 1. September 1954 ist der traditionsreiche alte Weinort wieder selbstständige Marktgemeinde des Bundeslandes Niederösterreich.
Der Wehrturm beherbergt heute das ortsgeschichtliche Museum; im stimmungsvollen Ambiente des Burgareals werden seit 1976 alljährlich die Perchtoldsdorfer Sommerspiele veranstaltet.