Ortsgeschichte
Die alte Herrschaft Reichenau lag mitten im so genannten Freiwald, ein Rest des ursprünglichen Nordwaldes. Der östliche Ausläufer des Böhmerwaldes im Grenzgebiet von Österreich, Tschechien und Bayern umfasste einst die Waldgebiete zwischen Weitra und Rappottenstein in Niederösterreich, Reichenstein und Freistadt in Oberösterreich sowie Nové Hrady/Gratzen in Südböhmen. Bis zum 14. Jahrhundert blieb dieses geschlossene Waldgebiet von Rodungstätigkeit nahezu unberührt. Seit alters her handelte es sich dabei um einen „freien“ Wald, also um einen Wald, der von jedem genutzt werden durfte. Dies ergab auch eine von Herzog Albrecht 1376 veranlasste Untersuchung. Basierend auf diesen Rechtsverhältnissen gestattete Herzog Albrecht den Bewohnern der Stadt und des Landgerichtes Weitra, den „Freiwald“ ohne Zins und Hindernis zu nutzen. Erst 1614 wurde diese Freiheit von der Herrschaft Weitra aufgehoben.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts dürfte diese südwestlich von Bad Großpertholz gelegene Streusiedlung Reichenau entstanden sein. Ihr Name (reiche Au = ein ertragreiches Augebiet) deutet auf fruchtbare Böden/Wiesen hin. 1340 findet sich die erste Nennung in einer Schenkungsurkunde, mit der der Weitraer Bürger Merklin dem Dechant Konrad von Krems ein Lehen übertrug. Der nächste Beleg stammt aus dem Jahr 1351: Mert der Stuchs von Trauttmansdorff verkaufte sein Gut zu Reichenau mit Großpertholz und Voitschlag dem Eberhard Wolf von Dachsberg zu Rappottenstein.
Das Vorkommen des Familiennamens „Glaser“ bereits 1499 und 1556 belegt das Vorkommen privater bäuerlicher Glashüttenbetriebe, die den Holzreichtum des Freiwaldes für die Glaserzeugung nutzten. Um 1599–1601 erfolgte durch den Herrschaftsinhaber Hartmann von Landau eine Umstrukturierung des Dorfes Reichenau zu einer Gutssiedlung mit Schwerpunkt auf der Glaserzeugung. 1653 erwarb Joachim Enzmüller, Freiherr und Graf von Windhaag das Gut und legte es mit seiner Herrschaft Großpertholz zusammen. In der 1654 erschienenen Ausgabe der Topographia Windhagiana findet sich ein Kupferstich mit der Ansicht der Reichenau Sambt der Vornehmbsten Glaashütten. Er zeigt das Herrenhaus und die Pflegerei, den Meierhof, die Glashütten mit Sandpocher, Meisterhaus, Altmeisterhaus, Glashäuser und die Veredelungsbetriebe (Glasmaler, Zinngießer). Ihre Blütezeit erlebte die Glashütte zwischen 1601 und 1686 – trotz des Einfalls der böhmischen Truppen 1620, die die Hütte niederbrannten. Über die Witwe Windhaags, die das Herrenhaus in Reichenau als Witwensitz gewählt hatte, kam die Herrschaft an die Lambergs, die sie 1685 an die Hackelbergs verkauften. Schon ein Jahr später ließ Karl Freiherr von Hackelberg-Landau in Karlstift eine neue Glashütte errichten – in einem noch unverbrauchten Waldgebiet.
Der Landschematismus von 1795 verzeichnete Reichenau als adeliges Gut und Dorf mit 38 Häusern. 1800 brannte das Herrenhaus ab. Nach der Aufhebung der Grundherrschaft bildete Reichenau mit dem Sternhof und dem Laisterhof 1850 eine eigene Gemeinde. 1887 wurde die schlichte Ortskapelle errichtet. Im Zuge der Kommunalstrukturverbesserung kam es 1971 zum Zusammenschluss mit Großpertholz.