Ortsgeschichte
Die Bezirksstadt Scheibbs, seit dem späten Mittelalter ein Zentralort an der Eisenstraße, war jahrhundertelang engstens mit der ehemaligen Kartause Gaming verbunden, zu deren Grundherrschaft sie gehörte.
Urkundlich wird Scheibbs erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt. 1160 erscheint ein Otto de Schibis, Gefolgsmann der Grafen von Peilstein, die bis 1218 Herrschaftsinhaber waren. Ihnen folgten die Landesfürsten, die im 14. Jahrhundert Markt (1338) und Burg (1349) der Kartause Gaming schenkten. Bis zur Aufhebung des Klosters 1782 war Scheibbs weltliches Verwaltungszentrum der Klosterherrschaft. Die Gaminger Amtleute und Hofrichter hatten ihren Sitz im Schloss. 1352 erhielt Scheibbs von Herzog Albrecht II. den Titel „Stadt" zugesprochen, wurde aber in der Folgezeit stets als Markt bezeichnet (Titularstadt). Sitz der Scheibbser Marktrichter war seit 1538 das von den Bürgern erworbene Rathaus. Zur Stadt erhoben wurde Scheibbs erst am 25. Juni 1926.
Im Lauf des Mittelalters entwickelte sich Scheibbs zu einem befestigten Markt, der als Zentrum der Kleineisenproduktion und Proviantversorgung des Erzbergs zu einem bedeutenden Umschlagplatz der Eisenwurzen wurde. Der Ausbau der Dreimärktestraße Scheibbs-Purgstall-Gresten über den Grubberg bei Lunz Ende des 15. Jahrhunderts und durch die Mendling bei Göstling 1544 bis 1561 machte die alten Saumpfade auch für Pferdewagen befahrbar und leitete die wirtschaftliche Blütezeit der Eisenwurzen ein. Mit der Erhebung zum Innerbergischen Hauptmarkt 1588 war Scheibbs neben Waidhofen Hauptmarkt im Verband der niederösterreichischen Proviantmärkte, der „Widmung". Das Gebiet war der Versorgung des Erzbergs „gewidmet": Alle Lebensmittel der Wochenmärkte der Widmungsbezirke wurden gesammelt und von Händlern zum Erzberg gebracht, die dafür Roheisen nach Niederösterreich lieferten, das in den Hämmern weiterverarbeitet wurde. Der Scheibbser Widmungsbezirk erstreckte sich südlich der Donau von der Pielach bis zur Ybbs, westlich davon lag der Waidhofener Bezirk.
Von der Wohlhabenheit der Scheibbser Bürger zeugen zahlreiche Händlerhäuser sowie der „Dom des Erlauftales", wie die Anfang des 16. Jahrhunderts errichtete, spätgotische Pfarrkirche zur hl. Maria Magdalena auch genannt wird. Sie ist eine der größten Hallenkirchen des Landes und geht auf eine Kirchengründung der Peilsteiner Grafen zurück. Sie war zunächst Filialkirche der Pfarre St. Leonhard am Forst, wurde 1322 Pfarrkirche und kam dann ebenfalls an Gaming. Ab dem 17. Jahrhundert wurde sie barockisiert und wertvoll ausgestattet. 1726 errichtete der Barockbaumeister Josef Munggenast die Marienkapelle.
Ende des 16. Jahrhunderts erhoben sich die Bürger (1595) und die Bauern (im Zuge des Bauernaufstands 1597) gegen die Gaminger Klosterherrschaft - beide Male wurde der Gamingen Prior im Schloss gefangen gesetzt. Knapp 200 Jahre später endete mit der Aufhebung der Kartause unter Kaiser Joseph II. 1782 die geistliche Grundherrschaft über Scheibbs. Ein weiterer Einschnitt in der Geschichte der Stadt war die Aufhebung der Proviant- und Eisenhandelsprivilegien in der Eisenwurzen 1781, die damit zur „Freihandelszone" wurde, was zum wirtschaftlichen Niedergang der Region führte.
Nur wenige Jahrzehnte später wurde das traditionelle Eisengewerbe zur Grundlage für eine der größten Industrieanlagen der Monarchie, das Töpper'sche Eisen- und Walzblechwerk im nahen Neubruck. Andreas Töpper machte aus einem kleinen, 1817 erworbenen Hammerwerk durch technische Innovation - er erfand das Walzblechverfahren für Eisenblech - und dank höchster Hilfe aus dem Kaiserhaus die erste Eisen- und Walzblechfabrik Österreichs und die größte der Monarchie. Filialwerke in Kienberg und Lunz folgten. Die von ihm erbaute "Neue Brücke" über die Erlauf gab der wachsenden Werkssiedlung Neubruck ihren Namen. Der erfolgreiche Industrielle erwarb 1867 das Scheibbser Schloss und fand auch in Scheibbs seine letzte Ruhestätte. 1882 wurden die Tumben aus Neubruck in das Töppermausoleum übertragen. Nach Töppers Tod musste sein Sohn die Betriebe schließen, der neue Besitzer des Werks und des Schlosses in Scheibbs, Eduard Musil von Mollenbruck, wandelte 1881 die Walzblechfabrik in eine Papierfabrik um.
1886 erhielt Scheibbs die erste elektrische Straßenbeleuchtung der Monarchie. Nach Fertigstellung der Erlauftalbahn und des Bahnhofs 1877 kam es zu einer regen Bautätigkeit westlich der Erlauf. Um 1900 entstanden zahlreiche historistische Wohnhäuser und Villen. Ab dem 20. Jahrhundert wurde die Siedlung östlich der Erlauf ausgeweitet. Das um 1600 zu einer Vierflügelanlage ausgebaute Schloss ist seit 1957 im Besitz des Landes Niederösterreich und heute Sitz der Bezirkshauptmannschaft, des Bezirksschulrates und des Bezirksgerichtes. An die einstige Wehrhaftigkeit der Stadt und seiner Bürger erinnern die fünf erhaltenen Wehrtürme, darunter der „Pulverturm" aus dem späten 15. Jahrhundert, sowie das „Schützenscheibenmuseum" mit insgesamt 243 Schützenscheiben der „Schützengilde Scheibbs 1569", die vom 17. bis zum 20. Jahrhundert bestand.