Ortsgeschichte
Der Kirchweiler St. Gotthard liegt südlich von Texing am Abhang des Walzberges. Seit 1971 bildet St. Gotthard mit Texing und Plankenstein die im südlichen Teil des Bezirkes Melk gelegene Großgemeinde Texingtal. Kirche und Ort von St. Gotthard waren besonders vom 13. bis zum 17. Jahrhundert durch einem blühenden Wallfahrtswesen geprägt, für das noch heute die mächtige weithin sichtbare Pfarrkirche Zeugnis ablegt.
Schriftquellen belegen die Existenz einer Burg Stein (auch „Gänselstein“), die bereits 1165 bei St. Gotthard bestand. Sie wird in Zusammenhang mit Wernhardus von Stain, einem Gefolgsmann des Heinrich von Burghausen, erwähnt. Eine Lokalisierung des Ansitzes ist bis jetzt noch nicht gelungen. Um 1190 werden Otto von Stain und sein Bruder Magins als Ministerialen der Peilsteiner genannt.
Die Pfarre St. Gotthard entstand um 1200 als herrschaftliche Gründung und wurde 1227 erstmals genannt. Neben Texing war St. Gotthard einer der Hauptorte der angrenzenden Pfarren St. Leonhard und Ruprechtshofen. Im 14. Jahrhundert besaßen die Herren von Sooß das Kirchenlehen, die es 1367 an das Stift St. Pölten verkauften. Schon ein Jahr später unterstellte es dieses als Vikariat der Pfarre Hürm, als Ersatz für das selbstständig gewordene Haunoldstein. 1530 verkaufte das St. Pöltener Kloster seine Güter im Texingtal an die Dechantei Kirnberg, darunter auch die pfarrlichen Rechte auf St. Gotthard. Folglich war die Pfarre mit Kirnberg vereint und wurde von Texing aus betreut. Zur Pfarre gehörte auch ein Benefizium auf dem Schloss Plankenstein. Die 1758 aufgehobene Pfarre wurde 1785 wiedererrichtet.
Der Legende nach soll sich hier der hl. Gotthard (960-1038), Benediktinermönch und Abt des Klosters Niederaltaich, dann Bischof von Hildesheim, an einer Quelle gelabt haben, die auf seine Bitten hin in der Kirche entsprang. Fortan besaß das Wasser Heilkraft. Nachdem ein gottloser Mann mit seinem blinden Pferd in die Kirche gekommen war, wurde dieses zwar wieder sehend, aber die Quelle versiegte. Erst später entsprang am Hang unterhalb der Kirche eine neue Quelle. Im 12. Jahrhundert entstand der romanische Kirchenbau, eine Saalkirche mit Halbapsis. Das Langhaus der heutigen Kirche wurde zu Ende des 14. Jahrhunderts errichtet, der Chor Mitte des 15. Jahrhunderts. Um 1480 wurde im Süden die Katharinenkapelle angebaut. Bestimmend wirkt der mächtige fünfgeschossige Westturm mit einer spitztonnengewölbten Durchfahrt. Beim Haupteingang der Kirche findet sich der Grabstein des Kirnberger Pflegers Tobias Filiey, der 1616 starb und testamentarisch die Restaurierung des Katharinenaltars (zwölf Bilder aus dem Leben der Heiligen) verfügte. Die Flügel des Altars befinden sich heute im Diözesanmuseum St. Pölten. Eine weitere Grabplatte (an der nördlichen Außenwand der Kirche angebracht) führt uns die Mühseligkeit der Zeit um den Dreißigjährigen Krieg vor Augen: Hermann Mergnin wurde 1647 im Feldlager in Eger in Böhmen geboren und starb im Quartier der Dechantei Kirnberg an Steinblattern im Alter von zwei Jahren. Sein kurzes Leben hatte er an der Seite seiner Mutter im Tross der Soldaten verbracht. 1648 und 1856 richteten Brände schwere Schäden in der Kirche an, 1683 osmanische Streitscharen.
Das Ziel der Pilger*innen war der Gotthardibrunnen, der etwas unterhalb der Kirche liegt. 1753 stürzte die alte Brunnenkapelle ein und wurde 1773 durch eine neue ersetzt. Die Wallfahrer*innen nutzten das heilende Wasser bei Augen- und Fußleiden. Sie gaben es aber auch ihrem Vieh, um es vor Krankheit zu schützen. Ihre Dankbarkeit äußerten sie durch Schenkungen an die Kirche. Nicht umsonst hieß die Kirche im Volksmund die „goldene Kirche“. Der reiche Schatz an Votiven ging großteils beim Brand von 1856 verloren. St. Gotthard wurde auch häufig von Pilger*innen besucht, deren Ziel Mariazell war. Denn über das Schwabegg-Kreuz führte einer der Pilgerwege zu dem Marienheiligtum.