St. Pölten


Gemeinde Sankt Pölten

Institut der Englischen Fräulein

Im Jahr 1705 richtete Maria Barbara Pabthorpe, die in München residierende Oberstvorsteherin des Instituts der Englischen Fräulein, ein Schreiben an Kaiser Joseph I. Darin berief sie sich auf seine Zusage und bat, Niederlassungen in den habsburgischen Ländern gründen zu dürfen. Da „einige Patrone und Guttäter" ihnen in der Stadt St. Pölten ein Haus verschaffen und auch einen jährlichen Beitrag zur Erhaltung spenden würden, wollten die Englischen Fräulein hier mit acht bis zehn Mitgliedern ein Institut gründen. Erste Aufgabe sollte sein, die Kinder der zahlreichen adeligen Familien zu erziehen.
Eine Abschrift wurde dem Vizestatthalter Johann Jakob Freiherr von Kriechbaum sowie Richter und Rat der Stadt mit Ersuchen um ein positives Gutachten übermittelt. Der Stadtrat sprach sich gegen eine Gründung aus, da der Propst des Chorherrenstiftes die Niederlassung im Klosterviertel ablehne und auch die Stadt Krems in gleicher Sache negativ entschieden habe. Bei der Entscheidung spielte auch die zur selben Zeit betriebene Gründung eines Karmelitinnenklosters eine Rolle: Der Rat war der Meinung, dass in der Stadt schon genug Adelige lebten und auch genügend Klöster vorhanden wären, ein neues Institut aber nur weitere bürgerliche Häuser entfremden würde. Es sei überdies für die mehrheitlich armen Bürger und Handwerker nicht nötig, ihre Kinder in eine höhere Schule zu schicken, es genüge, wenn diese in der allgemeinen Schule lesen und schreiben lernten.
Die Gründung des Instituts wurde aber von sehr einflussreichen Persönlichkeiten gefördert, darunter der Vizestatthalter Freiherr Johann Jakob Kriechbaum von Kirchberg, dessen Schwester Maria Anna seit zehn Jahren Mitglied des Instituts in München war und neue Oberin in Österreich werden sollte. Am 30. Juli 1706 wurde daher die Errichtung des Instituts in St. Pölten von Joseph I. bewilligt, die Bedenken der Bürgerschaft aber insofern berücksichtigt, als die Englischen Fräulein von allen Häusern, die sie kauften, die bürgerlichen Lasten mitzutragen hatten, kein Handwerk ausüben und bei der Bevölkerung keine Geldsammlungen durchführen durften. Damit war das Institut, dessen erstes Haus die Engländerin Mary Ward 1617 im belgischen St. Omer gegründet hatte, auch in Österreich zugelassen.
Wenige Wochen nach dem kaiserlichen Entscheid kam Maria Anna von Kriechbaum als neue Oberin mit acht adeligen „Fräulein" von München nach St. Pölten und bezog zunächst in einem Privathaus in der Linzer Straße Quartier. Schon im Jänner 1707 wurde mit dem Schulunterricht begonnen. In zwei Klassen wurde vorerst Religion unterrichtet, daneben aber auch Lesen, Schreiben, Rechnen und Handarbeit. In den nächsten zwei Jahren wurde ein eigenes Haus in der Linzer Straße erworben, ausgebaut und eine Kapelle errichtet. Der feierliche Umzug erfolgte im Jänner 1709, die Grundsteinlegung für die erste Kirche am 29. April 1715. Zwei Jahre später, am 12. Oktober 1717, wurde die mit einem Kuppelfresko Paul Trogers gechmückte Kirche mit drei Altären von Weihbischof Raimund Graf Lamberg geweiht. Bemerkenswert ist die künstlerische Gestaltung der Straßenfassade mit der bewegten Figur des Schutzengels, der ein ihm anvertrautes Kind umsorgt, und darüber der mächtigen Figur der Immaculata, die auf einer Weltkugel steht. Der Bau der Kirche wurde wahrscheinlich dem prominenten Baumeister Jakob Prandtauer anvertraut, die Plastiken schuf vermutlich sein Schwiegersohn Peter Wider.
Zur Sicherung des Instituts schloss die Oberin Anna Maria von Kriechbaum mit den Verordneten der niederösterreichischen Ständen 1711 einen Vertrag über die Errichtung von Stiftungsplätzen für sechs „arme, von allhiesigen Landmitgliedern aus gültiger Ehe erzeugte Fräulein" ab. Jeder der oberen Stände konnte zwei Mädchen im Alter von 6 bis 14 Jahren nominieren, die drei Jahre lang im Institut leben sollten. Die Kandidatinnen durften keine sichtbare Krankheit oder Behinderung haben. Die Mädchen sollten lesen, schreiben, reiten sowie die Näherei und Stickerei erlernen und in allen „übrigen adeligen Kindern wohl anständigen Arbeiten" sowie auch in französischer Sprache und im Tanz unterrichtet werden. Dafür erhielt das Institut von den Ständen jährlich 1.200 Gulden.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Institut neuerlich erweitert und die heutige Kirche erbaut (1769), deren Deckenfresko von Bartholomeo Altomonte stammt. 1769 besuchte Maria Theresia das fertig gestellte Haus.
(Quelle: Landeschronik Niederösterreich, 2. Aufl. S. 230)