Ortsgeschichte
Die Stahlstadt Ternitz bildet gemeinsam mit Wimpassing und den angrenzenden Nachbarorten den Mittelpunkt des Schwarzatals. Prägend für die Siedlungsentwicklung der 1948 zur Stadt erhobenen Gemeinde war die industrielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Bis dahin bestand Ternitz, das erstmals um die Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich genannt wird (1352, 1365), aus einigen wenigen Häusern, deren Bewohner um 1800 von den örtlichen Gewerbebetrieben - ein Pulverwerk, zwei Mühlen, eine Hammerschmiede - lebten. Entscheidend für den Aufschwung wurde die Eröffnung der Südbahn Wien-Gloggnitz 1842 und die Gründung eines Hammerwerks 1846/47 durch den Stahlwarenfabrikanten Franz Miller (Müller). 1862 kaufte Alexander Schoeller die Fabrik vom damaligen Besitzer Reichenbach und gründete vier Jahre später die Ternitzer Eisen- und Stahlwerke (Walzwerke und Bessemer Stahlfabrikations AG). In den 1880er Jahren waren hier bereits über 1000 Menschen beschäftigt.
In nur wenigen Jahrzehnten entwickelte sich Ternitz zu einer Fabrikssiedlung beiderseits der Bahnlinie und um das Werksareal. Die ersten Arbeiterwohnhäuser wurden schon in den 1840er Jahren errichtet, dann folgte der Bau von „Arbeiterkasernen" und die Anlage von Wohnkolonien wie das „Walddörfel" und die „Gimpelinsel" mit 12 bzw. 21 Häusern. Kommunales Zentrum war die 1847 errichtete Bahnstation. Obwohl im 19. Jahrhundert die sich rasant entwickelnde Siedlung noch keine eigene Gemeinde war, besaß sie ein Post- und Telegraphenamt und eine Volksschule (1875). Erst 1923 kam es zu der schon vor dem Ersten Weltkrieg diskutierten Bildung der Großgemeinde Ternitz aus den Gemeinden Dunkelstein, Rohrbach und St Johann mit mehr als 7600 Einwohnern. Ein Jahr später wurden die Schoeller-Werke mit den steirischen Bleckmann-Stahlwerke AG fusioniert.
Im Zuge der Wirtschaftskrise sank der Beschäftigungsstand auf etwa 500 (1932); das Leben in Ternitz war von Arbeitslosigkeit und Elend geprägt. Die Umstellung auf Rüstungsproduktion ab 1938 brachte einen ungeheuren Aufschwung. Das Werk wurde erweitert und modernisiert und erreichte 1944 mit mehr als 6100 Beschäftigten einen Höchststand, ein Drittel davon Zwangsarbeiter aus den Lagern in Blindendorf und Rohrbach. Erzeugt wurden u.a. Bleche für die Panzerfertigung in Mürzzuschlag. Nach der Übergabe des Werks an die Rote Armee wurden 80 Prozent der Anlagen demontiert.
Der Stadterhebung 1948 folgten in den 1950er Jahren Investitionen in die Stadtentwicklung: Es wurden Gemeindebauten und eine neue Hauptschule errichtet, und 1957/59 mit dem Neubau der Pfarrkirche und der von dem renommierten Architekten Roland Rainer geplanten Stadthalle auf dem Theodor-Körner-Platz ein neues Stadtzentrum nordwestlich der Bahnlinie geschaffen. Zur selben Zeit erlebte die Stahlindustrie eine Hochkonjunktur, die sich - unterbrochen von der Stahlkrise 1966/67 - in den 1970er Jahren fortsetzte. 1975 wurden die verstaatlichten Schoeller-Bleckmann-Werke Teil der Vereinigten Edelstahlwerke (VEW).
Durch die Vereinigung mit den Gemeinden Flatz, Sieding, Pottschach und Raglitz und die Entstehung weiterer Siedlungen mit Ein- und Mehrfamilienhäusern im Gemeindegebiet war Ternitz mit etwa 16.000 Einwohnern zur achtgrößten Stadt in Niederösterreich geworden. 1984 wurde daher ein neues Verwaltungszentrums auf einer freien Fläche zwischen Ternitz und Pottschach geschaffen (Hans-Czettel-Platz). Nur zwei Jahre später beendete die von Protesten der Bevölkerung begleitete Schließung des Ternitzer Stahlwerks am 8. September 1986 die über hundertjährige Tradition der Stahlerzeugung, mit der Geschichte und Identität der Stadt untrennbar verbunden war. Nach der Einstellung des Hüttenbetriebs wurden zahlreiche Hallen geschliffen. Unangetastet blieb aber der „75er", der höchste Schornstein des Werks und das Wahrzeichen der Stadt.